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Selbstfürsorge

Audio-Version des Artikels, gelesen vom Autor

Manchmal werde ich gefragt, wie ich es aushalte in meiner Position als Psychotherapeut von so viel persönlichem Leid, Elend und Schmerz zu erfahren. Ich höre in meinem Arbeits-Alltag von Zeit zu Zeit von heftigen Geschichten, in denen von Gewalt, Gemeinheiten, Grausamkeit und Einsamkeit die Rede ist. Nicht selten sind diese Erfahrungen so verinnerlicht, dass sich meine KlientInnen inzwischen (meist unbewusst) längst selbst antun, was ihnen angetan wurde. Und um ehrlich zu sein, manchmal halte ich es nicht aus. Manchmal verdränge ich, werde taub oder rette mich in rationale Distanz. Ich versuche die Übersicht zu behalten, tröste mich mit den Möglichkeiten der Entwicklung und Heilung und hoffe auf Besserung über die Zeit hinweg. Aber im gegenwärtigen Moment bin ich manchmal überwältigt.

Das mitzubekommen finde ich gar nicht so einfach. Zuweilen merke ich es erst nach Wochen, manchmal schon direkt nach einer Stunde, in der etwas sehr Intensives zur Sprache kam. Es kann sich anfühlen, als sei die Welt etwas weiter entrückt, meine Sinne benebelt oder verschlossen. Innerlich sage ich mir, das zu halten sei meine Rolle, dafür sei ich ausgebildet und würde dafür bezahlt. Ich sage mir, ich dürfe nicht davor einknicken. Damit einher kann die bange Frage gehen, wie ich diese Aufgabe erfüllen sollte, wenn ich mir eingestünde, dass mich der Schmerz so einnimmt. Solch ein Zweifel kann nicht nur mein Einkommen bedrohen, sondern auch das Sinn-Erleben in der Arbeit, für das ich im Allgemeinen sehr dankbar bin.

Aber zuweilen nimmt der Schmerz mich ein. Und wie soll er das auch nicht tun, wenn ich wirklich offen für das bin, was meine KlientInnen mir erzählen? Es prallt nicht an mir ab, wenn ich erfahre, wie einsam, wütend, traurig und verletzt Menschen sein können. Wie festgefahren in Situationen, die unbefriedigend oder existenziell bedrohlich sind. Wie Menschen ein Leben führen können, bei dem der Tod wie eine Erleichterung erscheint: endlich Freiheit von der Last des Schmerzes über innere und äußere Konflikte und der Verantwortung, sie lösen zu müssen, wenn etwas anderes, besseres passieren soll. Zuweilen erfahre ich, wie erbarmungslos Menschen einander (und auch sich selbst) benutzen, um ihre eigenen Abgründe, tiefsten Ängste und Verletzungen nicht fühlen zu müssen. Wie eingeschränkt die Sicht sein kann, völlig entrückt von jeglichem Mitgefühl, weder für sich selbst noch andere. All dies kann schwer auf meinem Herzen liegen und fragt nach einem reifen Umgang.

Im Artikel zum Thema Auftrag habe ich beschrieben, wie wichtig ich es in helfenden Berufen wie dem meinen finde, klar zu unterscheiden, was meine KlientInnen in der Therapie erreichen möchten und können, gegenüber dem, was ich für möglich oder richtig halten könnte. Dass es zum einen zu einem ethischen Umgang, aber auch zur Selbstfürsorge gehört, zu erkennen, ob ich als Therapeut meine Kindheitserfahrungen auf mein Gegenüber projiziere und versuche, den Jungen, der ich war, stellvertreten durch eine Klientin oder einen Klienten, indirekt zu trösten. Erkenne ich das nicht, kann ich mich in diesem Versuch verausgaben und sowohl meinen Klienten als auch den Jungen in mir verfehlen. Denn wirklich trösten kann ich mich nur, wenn ich Kontakt zu mir habe. Und mein Gegenüber braucht vielleicht etwas ganz anderes, als der Junge, der ich war.

Im Rahmen dieses Artikels möchte ich darüber schreiben, dass zur Selbstfürsorge noch etwas anderes gehört: Raum für den Schmerz, der im Mitgefühl und in der Anteilnahme am Schicksal anderer in mir selbst ausgelöst werden kann, ganz ohne dass es direkt etwas mit meiner Biographie zu tun hätte. Pro forma will ich erwähnen, dass an dieser Stelle im Psycho-Jargon von „Psycho-Hygiene“ die Rede ist. Diesen Begriff mag ich jedoch nicht, da er etwas sehr Steriles hat und die Seele damit wie zum Badezimmer wird, welches man mit Meister Proper zum Glänzen kriegen könnte. Bei der Selbstfürsorge, von der ich spreche, geht es eben nicht darum, dass etwas glänzt, sondern dass es beachtet wird, genau wie es gerade ist – egal wie unordentlich, durcheinander, schmutzig oder bedrohlich es wirken mag.

Die Macht der Aufmerksamkeit

Dieser Raum für den Schmerz, von dem ich dabei spreche, hat etwas sehr einfaches, etwas sehr herausforderndes und auch etwas sehr mysteriöses und wunderbares. Ich erinnere mich an einen Klienten, der in einer Gruppentherapiesession sagte „Der Schmerz ist im Leben nicht vermeidbar, aber es ist die Solidarität miteinander, die ihn erträglich macht.“ Und genau dieses Erleben von bewusster Beachtung für das, was so weh tut, macht diesen Raum aus. Dabei ist heraufordernd dafür zu sorgen, dass es keinen Druck gibt, dass die Dinge anders sein sollten, als sie sind – kein Ziehen, Verzerren, Aufhübschen oder Dramatisieren. Da wir Druck-machen in der Regel unbewusst gewohnt sind, bedarf dies oft einiger Bewusstwerdung und Übung. Reines Gewahrsein für das, was ist, wirkt wie Sonnenstrahlen bei einer Blüte: Die Wärme kann die Lust in ihr wecken, sich von innen her zu öffnen und das Licht zu empfangen.

Wenn ich darüber schreibe, spüre ich, wie mir die Qualität dieses Raumes mit jedem Wort zu entrinnen droht. Es ist ein körperlich sinnliches Gewahrsein dessen, was in genau diesem Moment in meinem Erleben und in meinem Körperempfinden geschieht. Worte können wie Boten sein, die meine Aufmerksamkeit an den Platz schicken, der genau jetzt lebendig ist. Wenn ich diesen Raum in mir aufsuche, geht es jedoch nicht darum, die richtige Sprache zu finden. Es geht um die reine Aufmerksamkeit. Beachte ich mein lebendiges Empfinden genau dort, wo es gerade wahrnehmbar ist, können Worte auch im Weg sein.

Diese Präsenz mit einem anderen Menschen zu erleben, der in dieser Weise anwesend, interessiert und offen ist, ist ein großes Geschenk und kann sehr heilsam sein. Es war Marshall Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation (GFK), der mir darin das erste Vorbild war. Er sprach von Empathie, Mitgefühl, dem Fokus auf dem, was in unserem Inneren lebendig ist und davon ausgehend kreative Ideen darüber, was das Leben wundervoll machen könnte. Und wenn ich ihn in diesem Sinne mit anderen Menschen arbeiten sah und hörte, ist mein Herz sehr schnell warm geworden. Er war sehr treffsicher darin, intuitiv einzuschätzen, worum es seinem Gegenüber gerade gehen könnte, was es wohl fühlen mag und was ihm wichtig sein könnte. Und selbst der intensivste Schmerz konnte auf diese Weise Raum bekommen, sich ausdehnen und dann einer körperlich spürbaren Erleichterung weichen.

Überflutet

Auch Rosenberg hat mit vielen Menschen gearbeitet, die tiefes Leid erlebten oder in bedrohlichen Konflikten steckten. Dabei kam er mit dem gleichen Elend in Berührung, das auch mich immer wieder mal einzunehmen droht: Gewalt, Grausamkeit, Einsamkeit, Verzweiflung, Leere, Hoffnungslosigkeit. An einem bestimmten Punkt auf seinem Weg wurde er auf Joanna Macy aufmerksam, die mit der Entmutigung von politischen Aktivisten befasst war, die aufkam, wenn die Sache, die ihnen am Herzen lag, auswegslos und der Schmerz über die Lage der Welt unüberwindbar zu sein schien. Sie prägte den Begriff der Verzweiflungsarbeit, die anerkennt, dass unser Herz Raum für das Erleben und den Ausdruck von dem Schmerz braucht, den wir fühlen, wenn wir mit schwierigen Problemen und Leid befasst sind. Wenn wir von diesem Schmerz nicht beherrscht werden wollen, brauchen wir einen Bewusstseinsraum, der größer ist, als der Schmerz darin. Der Unterschied lässt sich mit der Frage beschreiben: „Habe ich den Schmerz oder hat der Schmerz mich?“

Ohne diesen Raum für Beachtung und Empathie mit dem Schmerz, kann er sehr mächtig und handlungsleitend werden. Meistens taucht er zunächst unbewusst auf, in passiver Aggression und ich spüre einen Widerstand dagegen, wirklich für jemanden da zu sein oder bürokratische Aufgaben zu erledigen (mehr noch als sonst). Vielleicht spüre ich in Sitzungen auch Druck, etwas erreichen zu müssen und werde ungeduldig mit KlientInnen, wenn sich augenscheinlich nichts bewegt. Wenn ich nicht in Kontakt mit meiner eigenen Lebendigkeit bin, fällt es mir schließlich auch schwer, konzentriert und offen für die Lebendigkeit in meinen KlientInnen zu sein. Der Schmerz kann sich aber auch in Leere äußern, an Stellen, an denen ich mich normalerweise freue. Diese Leere ist das Resultat von Depression, also wortwörtlich das unbewusst aktive Wegdrücken von Schmerz.

Auch der Begriff des Traumas verweist auf einen Zustand, in welchem der Schmerz eher mich hat, als dass ich den Schmerz habe. Einfachere Mechanismen, die wir gegen intensive Bedrohungen mobilisieren können, haben Vorrang vor bewussten, feinsinnigen Antworten auf komplexe Situationen. Wenn ich den Drang spüre, zu kämpfen oder zu flüchten, wenn ich von innen her Nebel spüre, der mich (manchmal angenehm) betäubt oder wenn ich alles in mir mobilisiere, um Frieden in eine Beziehung zu bringen, koste es was es wolle, hat der Schmerz eher mich, als dass ich ihn habe. In seltenen Fällen mag das eine rettende Antwort sein, aber meistens richten wir damit mindestens ebenso viel Schaden an.

Auftauchen und Auftauen

Rosenberg schuf einen Rahmen für den Bewusstseinsraum, der größer als der Schmerz ist, indem er von „Feiern und Bedauern“ sprach und dafür in seinen Intensiv-Workshops ein Ritual vorstellte, das jeden Tag ein fester Programmteil war. In vielen Trainings, Seminaren und Festivals für Gewaltfreie Kommunikation gibt es dieses Ritual auch heute noch. Es lädt dazu ein, ganz im Einklang mit dem eigenen Erleben auszudrücken, was mich heute gefreut und was mich geschmerzt hat. Dabei geht es nicht um eine Veränderung des Zustandes oder der Situation, um eine Wiedergutmachung oder Lösung eines Problems, weil all diese Absichten von dem gegenwärtigen Erleben wegführen können. Es geht darum, dass ich es fühlen und ausdrücken kann und mein Bewusstsein für die Gefühle dadurch größer in mir wird, als meine Gefühle selbst es sind. Auf diese Weise komme ich aus einem Zustand des „überflutet-seins“ heraus, wie als wenn ich endlich den Kopf über Wasser strecken und atmen könnte. Ich werde weiter unten konkrete Hinweise darauf geben, wie das gehen kann.

Rosenberg sprach dabei nicht nur vom Bedauern und von Schmerz, sondern auch vom Feiern, also der Beachtung erfüllenden Erlebens. Ich denke hierbei an das Buch Verletzlichkeit macht stark von Brené Brown, in dem die Autorin darauf hinweist, wie verletzlich wir sind, wenn wir Freude empfinden. Ich bin ihr dafür dankbar, weil ich zuweilen übersehe, wie schwierig ich es finde, ganz bewusst wahrzunehmen, wie wertvoll mir bestimmte Menschen, Dinge und Umstände sind. Und wie schrecklich es wäre, sie zu verlieren! Ich schätze, mehr oder weniger leben wir alle nach dem Motto „Wer auf dem Boden schläft, kann nicht aus dem Bett fallen.“ und meiden von daher die Intensität schöner Gefühle genauso, wie die Wahrnehmung von Schmerz. Nehme ich die Einladung zum Feiern und Bedauern aber wirklich an, werde ich mir bewusst, wie sensibel, feinfühlig, genau, berührbar und verletzlich ich bin. Und die Intensität dieser Erkenntnis kann überwältigend sein.

Gehe ich dieser Überwältigung bis zum tiefsten Grund nach, komme ich fast immer bei der Frage an, wie ich überleben soll, wenn ich wirklich so sensibel bin. Wie soll ich irgendetwas hinbekommen? Ist es nicht offensichtlich, dass ich nur unter der Brücke landen kann, wenn es mir wirklich so geht? Bis zum Ende verfolgt komme ich bei diesem Strang also bei einer Angst vor dem Sterben an – was ihre Intensität erklärt. Aber genau genommen ist das kein Gefühl, sondern ein Gedanke, eine Geschichte, Befürchtung oder Einschätzung meiner Situation. Vielleicht haben andere Menschen mir das vermittelt, vielleicht habe ich es auch selbst einmal so erlebt, daraus diesen Schluss gezogen und ihn verallgemeinert.

Bei vollem Bewusstsein habe ich noch nie erlebt, dass die Intensität von Gefühlen mich wirklich bedroht oder außer Gefecht setzt. Es ist eher das unbewusste Erleben, bei dem ich nicht erkenne, welche Bedeutung die Intensität hat, die mich und meine Fähigkeit, für mich zu sorgen, bedroht hat. Auch darum ist der Bewusstseinsraum, den Feiern und Bedauern schaffen können, so kostbar: er stabilisiert ohne zu betäuben.

Empathie und Selbst-Empathie

Wie schon erwähnt kann es sehr kostbar sein, wenn ich mit jemandem sprechen oder sein kann, der in dieser interessierten und offenen Art präsent mit mir ist. Der GFK-Trainer Kelly Bryson verglich es in seinem Buch Sei nicht nett, sei echt! mit folgendem Bild: Möchte ich wahrnehmen, was in meinem Inneren passiert, sitze ich am Steuer eines Segelbootes, das über das Meer der inneren Erforschung fährt. Kommt jemand in präsenter Haltung hinzu, ist er wie eine leichte Brise, die mir die Bewegung erleichtert. Ich kann es auch alleine machen, aber der erweiterte Bewusstseinsraum kann enorm dabei helfen, so lange kein Druck von diesem Wind ausgeht und ich nach wie vor das Steuer in der Hand habe. Ist letzteres der Fall, macht es eher Stress. Aber eine sanfte Brise kann wie Rückenwind beim Fahrradfahren sein.

Ich erinnere mich, wie ich zu meiner Studienzeit oft einsam war, ebenso oft jedoch eine dumpfe Taubheit darüber lag. Betrat ich einen öffentlichen Bus mit vielen Menschen konnte es sein, dass ich meine Traurigkeit direkt viel deutlicher wahrnahm. Mir kam es vor, dass allein die Anwesenheit von Menschen das Gefühl intensivierte, ganz ohne, dass sich irgendwer mit mir beschäftigt hätte. Ich glaube, dass es mein eigenes Inneres war, das sich regte und angesichts der Anwesenheit eine Chance sah, zum Ausdruck zu kommen und gesehen zu werden.

So wertvoll das Geschenk von Empathie auch sein mag, einfordern können wir es nicht. Selbst bei einer Therapeutin, einem Therapeuten haben wir keine direkte Macht darüber, dass wir diese Art der Begleitung bekommen. Es gibt zwar Netzwerke in der Subkultur der GFK, in denen Menschen über Messenger-Gruppen um Empathie bitten können und nur antwortet, wer gerade wirklich kann und möchte. Auch hat Marshall Rosenberg dazu ermutigt, Beziehungen zu kultivieren, in denen der Austausch von Empathie zum festen Bestandteil gehört – eine Empathie-Hotline sozusagen. Denn Empathie ist ein Bedürfnis, das wir täglich haben. Aber dennoch kann es sein, dass gerade keine Unterstützung zur Verfügung steht, oder dass ich mich selbst um mich kümmern möchte.

In diesem Fall hilft es, das eigene Gewahrsein als Rückenwind erfahren zu können. Dies geht vor allem dann gut, wenn das, worum es gerade geht, einigermaßen bewusst ist. Oft ist es auch teilbewusst und die aufmerksame Wendung nach innen kann es aufdecken.

Feiern und Bedauern

Das Ritual schafft durch die Art der Fragen eine geistige Orientierung, die auch bei teilbewussten Prozessen weiterhelfen kann. Ich kann mich dafür mit jemandem verabreden, mit dem ich im Wechsel teile, was mir wichtig ist. Oder ich kann es auch alleine für mich machen, entweder schriftlich oder geistig im Kopf. Zu schreiben hat den Vorteil, dass ich nicht zu viele Inhalte auf einmal im Kopf behalten muss. Wie auch immer das Setting ist, die Fragen sind folgende:

  • Was genau ist geschehen? Beschreibe eine Handlung, Situation, Wahrnehmung, die heute wichtig für dich war. Sei dabei möglichst genau und unterscheide zwischen konkreten Beobachtungen und deiner inneren Verarbeitung. Das erhöht die Realitätsschärfe.
  • Was spürst und fühlst du dabei in deinem Körper? Dabei ist nicht das „richtige“ Wort entscheidend, sondern ob du mit der Aufmerksamkeit ganz an der Stelle in deinem Körper bist, wo es intensiv und lebendig ist. Bleibe dabei, bis es ruhiger wird.
  • Mit welchem Wert und welcher Lebensqualität verbindest du das Erlebte? Hierbei geht es um das Bewusstsein dafür, wie wir leben wollen, was das Leben wundervoll macht bzw. wie traurig es sein kann, wenn die Qualität in der erlebten Situation gefehlt hat.
  • Nun, da dir Werte und Qualitäten in Bezug auf das Erlebte bewusst sind, wie nimmst du deinen Körper jetzt wahr? Kannst du eine Veränderung, einen Wechsel bemerken?

Ob ich alles erfasst habe, was mit der Situation zu tun hat, merke ich daran, dass ich ruhiger werde und sich ein gewisser Trost und Erleichterung einstellen. Ist das nicht der Fall, habe ich etwas übersehen.

Zur Demonstration möchte ich zwei Dinge aufschreiben, ein Beispiel zum Feiern und eines zum Bedauern, bei denen ich die Fragen in dem Sinne beantworte, wie ich sie meine. Zunächst das Bedauern.

  • Beschreibung der Situation, des Kontextes: Ich erinnere mich daran in einer der letzten Sitzungen erfahren zu haben, dass eine Klientin mit dem Wunsch zu tun hat, sich das Leben zu nehmen. Sie wüsste auch, wie sie das machen könnte, auch wenn sie aktuell keine konkreten Pläne dazu hat. Grundsätzlich wolle sie leben, aber die aktuellen Konflikte in ihrem Leben kämen ihr überwältigend und unlösbar vor.
  • Gefühle im Körper: Ich empfinde dabei Anspannung und eine Art Schrecken. Meine Brust fühlt sich schwer an. Auch eine Betroffenheit macht sich breit. In meinem Kopf bemerke ich Geschichten darüber, welche Verantwortung ich gerade trage. Damit verbunden sind auch Ängste um meine eigene Existenz. Was, wenn sie das wirklich tut? Was geschieht dann mit mir und meiner Zulassung? Ganz abgesehen davon, wie es mich persönlich treffen würde und was mit meiner Freude am Beruf passieren könnte. In meinem Herzen spüre ich Angst um mein Leben und die Art, wie ich es jetzt führe.
    Nach einem kleinen Moment taucht aber auch Traurigkeit auf, tiefe Traurigkeit. „Wie kann das sein!?“ möchte ich fragen. Wieso müssen Menschen so leiden, dass ihnen der Tod wie eine Erleichterung vorkommt? Was ist das für eine Welt, die Menschen in solche Einsamkeit und Verzweiflung treibt?
  • Werte und Lebensqualitäten: Wende ich mich der dritten Frage zu, taucht der Wert auf, Menschen mögen in ihrem Leid nicht alleine sein. Ich möchte, dass Menschen wissen, dass sie von einer tiefen Verbundenheit untereinander getragen sind. Und ich wünsche mir, dass Menschen das ausdrücken und einander wissen lassen. O wie schlimm ich es finde, wenn das fehlt! Und wie kostbar und lebensrettend es sein kann, wenn wir jemanden haben, der in dieser Weise da ist! Auch bemerke ich, dass mir die Unversehrtheit des Körpers kostbar ist. Dass ich möchte, dass der Körper liebevoll gesund erhalten wird. Und dann spüre ich, dass ich gerne meine Arbeit in dieser Weise weitermachen können möchte. Dass ich gerne weiterhin das Vertrauen genießen mag, mit welchem Menschen zu mir kommen, ohne mich zu kennen, nur aufgrund des Titels.
  • Veränderung im Körper: Mit diesen Werten im Bewusstsein spüre ich eine Weite in der Brust. Ich kann wieder schwingen. Ich nehme die Kostbarkeit des Lebens wahr und auch der Gelegenheit, für diesen Menschen in dieser Situation genau das zu sein, was mir so wertvoll ist: ein Botschafter der Verbundenheit und Anteilnahme. Die damit einhergehende Gefahr überrollt mich nicht mehr, sondern ist Ausdruck eben dieser Kostbarkeit. Ich spüre die Intensität, aber sie bedroht mich nicht mehr.

Der letzte Punkt bedeutet nicht, dass die Situation nicht dennoch eine Herausforderung sein kann. Aber ohne die Überflutung ist es mir möglich, damit eine spielerische Haltung einzunehmen, das Herz zu spüren und ihm entsprechend anwesend zu sein. Ich weiß dann noch nicht, was ich im Weiteren tu, aber das Vertrauen, dass aus meinem Inneren schon etwas Passendes kommen wird, ist wieder da. Und das ist sehr beruhigend.

Und nun zum Feiern:

  • Beschreibung der Situation, des Kontextes: Ich erinnere mich daran, wie mir bei einer kürzlich erlebten Sitzung mit einem Paar die Klientin sagte, dass sie nun nach ein paar Sitzungen ausdrücken will, wie überraschend gut ihr die Paartherapie gefalle. Sie habe schon einige Therapieerfahrung und arbeite außerdem in einem Institut für Verhaltenstherapie in der Verwaltung. Sie kenne es so, dass viele TherapeutInnen eine Diagnose stellten, das für die Diagnose passende Manual herauskramten und dies dann abarbeiteten. Das erlebe sie als Abstempeln, in einer Schublade feststecken und nicht wirklich wahrgenommen werden. Genau dies sei mit mir jedoch nicht passiert. Im Gegenteil, es seien ihr sehr viele neue Aspekte ihres Erlebens mit sich und ihrem Partner aufgefallen, sie fühle sich wohl und wolle sagen, dass ich das gut mache.
  • Gefühle im Körper: Bei der Erinnerung empfinde ich zunächst einen Anflug von Überwältigung. Ich bemerke den Widerstand, das Gesagte in all seiner Bedeutung wirklich anzuerkennen. Bleibe ich damit präsent, fällt mir auf, dass es mir Angst macht, solch einer Beurteilung ausgesetzt zu sein. Erkenne ich sie an, gehört auch die Möglichkeit dazu, dass dieselbe Klientin oder jemand anderes, meine Arbeit ganz anders bewertet. Ich spüre diese Angst, halte sie im Gewahrsein und werde damit langsam ruhiger.
    Als die Angst in den Hintergrund tritt, kommt ganz organisch eine Freude zum Vorschein, die sich verletzlich anfühlt. Ich erkenne an: ich habe diese Klientin bis hierhin wahrhaftig gut begleiten können! Und sie hat etwas artikuliert, das mir bezogen auf mein Berufsfeld selbst schmerzlich bewusst ist. Ich erkenne den Impuls, mich arrogant über meine Kollegen erheben zu wollen, wohl auch um mich vor Abwertung und Gefahr meiner Existenzgrundlage in Sicherheit wähnen zu können. Ich nehme die Angst noch einmal in meine Mitte, bis sie sich wieder beruhigt.
    Dann bemerke ich die aufrichtige Berührtheit und Dankbarkeit der Klientin. Und jetzt bin auch ich berührt. Ich spüre Tränen in den Augen.
  • Werte und Lebensqualitäten: Mit der dritten Frage im Sinn wird mir bewusst, wie wertvoll ich die Offenheit finde, mit der Menschen im Kontakt fein und sinnlich erspüren, wer gerade da ist und was gerade wirklich passiert – auch und gerade wenn es sich nicht von alleine direkt zeigt. Diese Qualität der Präsenz und Wahrnehmung, die uns ermöglicht uns wahrlich nicht alleine zu fühlen, ist wohl einer der ersten Gründe, warum ich das Leben lange überhaupt als lebenswert empfunden habe. Es macht mich wach, so einen Kontakt zu erleben, weckt meine Sinne, macht die Lebensenergie spürbar, die mich und alles Lebende durchströmt. Ich spüre, wie sehr das zu erleben mich nährt, wenn es da ist und wie leer und sinnlos alles wirken kann, wenn es fehlt.
    Mir bewusst zu machen, dass ich derjenige in dem bin, was die Klientin berichtet, der dieser Qualität eine Form gegeben und sie für die Klientin erlebbar gemacht hat, erweckt schon fast Ehrfurcht in mir. Ungläubig schaue ich mich an und frage „Wie bitte? Ich?“ Mir fällt der Spruch aus dem Kurs in Wundern ein, der mich daran erinnert, dass es das Licht ist, nicht die Dunkelheit, die mir am meisten Angst macht. Denn wenn ich solche Macht habe, das Leben eines anderen Menschen zu berühren und zu bereichern… müsste ich dann nicht viel mehr damit tun? Verpflichtet mich das nicht dazu, dieses Geschenk so viel und oft zu teilen, wie es nur geht? Hat Superman Freizeit? Darin wird mir auch bewusst, dass das Geschenk nicht erzwungen sein kann, auch nicht durch mich. Es war in diesem Moment mit der Klientin möglich und auch ich empfinde Dankbarkeit, dass diese Kraft durch mich Gestalt annehmen konnte, wo immer sie auch hergekommen sein mag.
  • Veränderung im Körper: Während die Wucht dieser tiefen Bedeutungen noch in meinem Körper hallt, nehme ich wahr, wie tief verbunden und lebendig ich mich fühle. Ja, Energie strömt durch mich durch und findet durch mich Ausdruck. Darin spüre ich auch etwas beruhigendes, denn das heißt ja, dass auch ich von ihr genährt werde. Es muss nicht aus mir herauskommen. Gerade finde ich es phänomenal in dieser Form auf der Welt zu sein.

Schlussbetrachtungen

Ich möchte zum Schluss noch zwei Dinge zum Thema bemerken, die mir wichtig erscheinen. Zum einen habe ich das Ritual des Feierns und Bedauerns lange gemieden, da ich in der Zeit, in der ich es kennenlernte, noch große Angst davor hatte, was an rohen Gefühlen und Zuständen in mir auftauchen könnte, wenn ich diese Fragen ernst nähme und sinnlich erforschte. Stattdessen bin ich die Fragen aus der sicher wirkenden Distanz im Kopf durchgegangen, was entsprechend unergiebig war. Das heißt, es braucht auch Mut, sich in dieser Tiefe darauf einzulassen. Vorbereitend dafür empfinde ich unter Anderem meine Meditationspraxis, in welcher ich meine Aufmerksamkeit vor allem auf das nicht-sprachliche Gewahrsein von sinnlich erfahrbarem Körpererleben richte. Darin kann es durchaus vorkommen, dass mein Empfinden sehr intensiv wird und mir Impulse kommen, jetzt möglichst schnell etwas zu tun, um die Flutwelle aufzuhalten. Beispielsweise können meine Gedanken zu einer bedrohlichen Situation wandern und ich spüre vor allem Angst bis hin zu Panik. Gerade dann ist es eine neue Erfahrung, wenn ich die Gefühle zulasse und still bleibe, obwohl unfassbar viel passiert. Zu wissen, dass ich das überlebe und die Intensität von alleine auch wieder nachlässt, wenn sie Beachtung findet, ist eine kostbare Erfahrung.

Zum anderen möchte ich noch auf etwas hinweisen, was euch beim Lesen evtl. auch aufgefallen sein könnte: zwar steht vorne Feiern und Bedauern dran, aber es gibt Punkte, an dem die beiden Modi nicht so klar voneinander unterscheidbar sind. Stoße ich beim Bedauern auf die Werte, spüre ich in jedem Fall, wie kostbar mir das Leben ist, was hinter meinen Empfindungen zum Vorschein kommen kann. Und diese Kostbarkeit wahrzunehmen hat auch etwas vom Feiern. Setze ich mich hingegen beim Feiern auch mit den Gefühlen auseinander, die mit der Verletzlichkeit der Freude zu tun haben, kann ich auch auf Traurigkeit, Wut und Angst stoßen. Auch die Wahrnehmung der Werte kann überwältigend sein. Letzten Endes kann ich beides mit dem Satz „Kontakt mit der Energie des lebendigen Lebens aufnehmen“ zusammenfassen, bei dem ab einem bestimmten Punkt gleich-gültig ist, ob es um Erfüllung oder Fehlen derselben geht: beides ist mit dem Herzen spürbar und belebt. Und wenn es gelingt, regelmäßig diesen Kontakt wiederherzustellen, ist im Umgang mit dem Schmerz in der Welt erstaunlich viel erreichbar, ohne dafür auf die Selbstfürsorge verzichten zu müssen.

„Wasch mich, aber mach mich nicht nass“

Neben der Klärung des Auftrags, gibt es einen weiteren wichtigen Maßstab, den ich prüfe, wenn sich Psychotherapie anstrengend und zäh anfühlt: gibt es unbewussten Widerstand? Das heißt, tut der/die KlientIn trotz klarem Wunsch, sich besser zu verstehen, unbewusst Dinge, die den Verstehensprozess hemmen oder verhindern?

Unter Widerstand verstehe ich grundsätzlich eine Abwehr von inneren Erfahrungsbereichen, die die unbewusste Absicht und den Sinn hat, für psychologische Stabilität zu sorgen. Stabilität erlaubt uns, in einem betimmten Rahmen und auf einem bestimmten Niveau relativ gleichmäßig für uns zu sorgen. Wir wissen ungefähr, wer wir sind, was wir wollen, was unser Lieblingsessen ist und wie wir uns in einer Woche oder einem Monat wahrscheinlich fühlen werden, wenn wir uns zu einem Ausflug oder Urlaub verabreden. Auf diese Weise sind wir für uns selbst und andere vorhersehbar und können relativ stabile Beziehungen führen. Da wir jedoch inhärent komplexe Wesen sind und Stabilität im Dienste der Ordnung oft eine Vereinfachung dessen erfordert, wie wir uns selbst sehen, hat diese Stabilität in den meisten Fällen einen Preis: wir nehmen bestimmte Aspekte unseres Selbst gar nicht oder nicht so genau wahr.

Zuweilen besteht die psychotherapeutische Arbeit vor allem darin, diese Abwehr zu greifen und bewusst zu machen, weil alles Weitere an seinen Platz fallen kann, sobald das gelingt. Wenn wir Abwehr als Verzerrrung der Wahrnehmung verstehen, die die für den gesamten Organismus stimmige Orientierung im Leben verhindert, wird klar, warum Bewusstsein so einen Unterschied im Leben macht. Wird die Verzerrung nämlich bewusst, können wir sie in unserer Wahrnehmung berücksichtigen und die Perspektive entsprechend korrigieren. Die resultierende Klarheit kann sich sehr ermächtigend, aber auch sehr herausfordernd anfühlen. Dieser Aufdeckungsprozess kann schnell gehen oder lange dauern, abhängig davon wie versteckt die Abwehr ist, wie viele Schichten und verschiedene Wechselwirkungen die Arten der Abwehr haben und wie intensiv die abgewehrten Gefühle sind.

Im Rahmen dieses Artikels möchte ich vor allem auf die Situation zu Beginn der Therapie eingehen, wenn die Beziehung zwar noch frisch, aber nicht mehr komplett am Anfang ist und basale Prinzipien des Widerstands bewusst werden dürfen.


Beginn der 15. Sitzung, Dienstags 9 Uhr. Die Klientin, 35 jahre alt, setzt sich, der Therapeut sitzt ihr gegenüber. Er sagt nichts und schaut sie aufmerksam an.

Nach ein paar Sekunden beginnt die Klientin verlegen zu kichern und sagt: „Jetzt machen Sie das schon wieder!“

Therapeut: „Was mache ich denn?“

Klientin: „Sie durchdringen mich. Als könnten Sie direkt in meine Seele schauen.“

Therapeut: „Ok… wie mache ich das denn?“

Klientin: „Keine Ahnung, Sie sind doch der Experte.“

Therapeut: „Ich kann Ihnen sagen, dass ich schon sehr verschiedene Menschen so angeschaut habe und bei Weitem nicht alle so reagieren wie Sie. Das heißt, ich vermute, dass Sie da schon irgendwie mitmachen. Können Sie das erkennen?“

Klientin: „Hm… ich weiß nur, dass ich mir schutzlos vorkomme, wenn Sie mich so ansehen. Als gäb’s keine Möglichkeit mehr, mich ich vor Ihnen zu verstecken.“

Therapeut: „Vor mir oder vor sich selbst?“

Klientin: „Wie meinen Sie das?“

Therapeut: „Naja, Sie sind ja hier, weil Sie etwas über sich erfahren wollen. Und Sie wissen auch, dass Sie sich dafür zeigen müssen, sonst habe ich keine Chance, Sie darin zu unterstützen, sich zu verstehen. Wenn Sie sich aber zeigen, sehe nicht nur ich Sie, sondern Sie sehen sich auch. Und unter Umständen gehen Sie nicht unbedingt liebevoll mit sich um, wenn Sie sich sehen.“

Klientin: „Hmmm… so habe ich darüber noch nicht nachgedacht.“

Therapeut: „Das heißt, es könnte sein, dass Sie bei dem, was Sie ‚Durchdrungen werden‘ nennen, vor allem Ihren eigenen Wunsch spüren, sich zu zeigen, während Sie gleichzeitig Angst fühlen, was Sie mit sich anstellen könnten, wenn Sie sich sehen. Und damit das alles nicht ganz so offensichtlich ist, schieben Sie es unbewusst mir und meinem Blick zu.“ Er zwinkert ihr amüsiert zu.

Klientin: „Sie meinen, Sie durchdringen mich gar nicht?“

Therapeut: „Genau. Ich mache Ihnen nichts weiter als ein Kontakt-Angebot. Mir ist bewusst, dass dieses Angebot mächtig sein und unter Umständen viel bewirken kann. Aber dennoch ist es nicht mehr als ein Angebot, das Sie annehmen oder ausschlagen können. Alles weitere verstehe ich als Konflikt in Ihnen: einerseits wollen Sie gerne den Kontakt, andererseits haben Sie Angst vor Verletzung, Missachtung oder Urteil. Natürlich könnte es theoretisch sein, dass ich Sie verletze, aber in diesem Setting ist es wahrscheinlicher, dass Sie das selber tun.“

Klientin: „Wie meinen Sie das?“

Therapeut: „Die meisten Menschen, die in die Psychotherapie kommen, wollen verstanden werden. Das klingt zunächst mal einfach und geradlinig, ist es aber oft überhaupt nicht. Verstanden zu werden erfordert nämlich, sich zeigen und sichtbar werden zu müssen. Ohne Sichtbarkeit ist Verständnis unmöglich, aber sichtbar zu sein öffnet eben auch die Möglichkeit, verletzt zu werden. Und wenn es Anteile in Ihnen gibt, die grob, verurteilend und verachtend mit anderen Anteilen in Ihnen umgehen, dann bekommen diese damit eine Gelegenheit. So kann es sein, dass Sie mir erzählen, wie es Ihnen heute geht und Sie sich im nächsten Moment dafür beschimpfen, wie schwach und unzulänglich Sie sich finden. Und wenn das so ist, kann ich das nicht verhindern, da Sie mit Ihren inneren Urteilen in jedem Fall schneller sind, als ich mit meinem Verständnis je sein könnte.“

Klientin: „Mist, ja… das scheint zu stimmen… was mache ich denn da jetzt?“

Therapeut: „Das kommt darauf an, was Sie wollen.“

Klientin: „Naja, wie Sie ja sagen, ich bin hier, weil ich mich gerne verstehen würde. Aber wenn sich das so brutal anfühlt, habe ich davor ziemliche Angst. Und wenn Sie mich so anschauen, dann spüre ich das sofort. Dann wäre mir manchmal lieber, Sie würden das nicht tun.“

Therapeut: „Was wäre denn dann?“

Klientin: „Dann könnte ich mich wieder vor mir verstecken und es würde etwas ruhiger in mir werden.“

Therapeut: „Ok. Und dann?“

Klientin: „Hmm… dann wäre es ruhig… aber dummerweise würde dann auch nicht viel passieren.“ Sie grinst und schaut zur Seite.

Therapeut: „Merken Sie, dass Sie grinsen?“

Klientin grinst weiterhin: „Ja…“

Therapeut amüsiert: „Was erheitert Sie denn so?“

Klientin: „Naja, ich sehe schon, dass ich mich selber fragen muss, ob es mir das Risiko der Verletzung wert ist, wenn ich hier wirklich weiterkommen will. Und wenn es stimmt, was Sie sagen, dass ich es selber bin, die mich verletzt, dann können Sie mir dieses Risiko auch nicht abnehmen.“

Therapeut: „Ich bin froh, dass Sie das sehen.“


An diesem Punkt ist es den beiden gelungen, bewusst wahrzunehmen, bei wem welche Verantwortung liegt. Für die Klientin ist es zwar unangenehm zu merken, welche Rolle sie selber dabei spielt, aber es ist der einzige Weg, etwas zu ändern, weil nur sie Einfluss auf ihren Widerstand hat und nur ihr Bewusstsein dafür sorgen kann, dass andere Möglichkeiten sichtbar werden. Der Therapeut spiegelt ihr das und bezeugt mit ihr, was passiert, aber außer Hinweisen und Benennen kann er nichts tun. Diese Ohnmacht auszuhalten ist manchmal das wichtigste, was er tun kann, weil er nur so in Kontakt mit der realen Situation der Klientin bleibt. Und angesichts dessen, dass so viele wichtige Handlungsmöglichkeiten unbewusst sind, ist das dazu passende Gefühle wirklich die Ohnmacht. Ohne die bewusste Bereitschaft, das mit zu tragen, läuft er Gefahr, am Widerstand gegen die Wahrnehmung der Wirklichkeit mit zu wirken und die Therapie dreht sich im Kreis.

Im zweiten Abschnitt der Sitzung soll deutlich werden, welchen Sinn die Abwehr hat und wie man ihr so begegnen kann, dass sie weder gebrochen wird, noch alles beherrscht. Zur Demonstration ist es in diesem Fall relativ einfach und zugänglich. In anderen Fällen kann dieser Prozess sehr lange dauern und oft hin und her gehen, bevor etwas greifbar wird. Auch hier braucht es vom Therapeuten die Bereitschaft, Ohnmacht auszuhalten, denn Verwirrung, Betäubung, Wegdriften und Druck können immer wieder auftauchen, auch im Erleben des Therapeuten, wenn die Abwehr noch nicht deutlich ist.


Klientin: „Ok, soweit verstehe ich es…“ Sie wird still und scheint nachzudenken. Dann schaut sie den Therapeuten an. Sie wirkt aufgebracht und sagt: „Wenn ich das an mich heranlasse, frag ich mich, warum ich so mit mir umgehe! Das ist doch totaler Mist! Ich will mich nicht so behandeln!“

Therapeut: „Ich halte das für eine gute Frage und bin froh, dass Sie sich dafür interessieren. Und ich verstehe, dass Ihnen das nicht gefällt. Ohne den entsprechenden Hintergrund wirkt Ihre Haltung wahrscheinlich wie sinnlose Quälerei.“

Klientin: „Ja, genau! Was soll das denn? Ich meine, ich merke gerade, wie sehr mir das weh tut. Und wenn ich genau darüber nachdenke, würde ich mich von jedem fernhalten, der mich so behandelt.“

Therapeut: „Meiner Erfahrung nach entwickeln Menschen derlei Umgangsweisen mit sich in der Regel, um Schlimmeres zu verhindern oder in Schach zu halten.“

Klientin: „Noch schlimmeres?!?“

Therapeut: „Ja. Viele Menschen versuchen, sich und ihr Leben nach dem Prinzip ‚Wer auf dem Boden schläft, kann nicht aus dem Bett fallen.‘ zu stabilisieren. Der Boden mag hart sein, aber die Fallhöhe ist reduziert.“

Klientin: „Sie meinen… bevor andere mich verurteilen können, mache ich das lieber selber?“

Therapeut: „Ja, zum Beispiel. So weit ich sehen kann, leben Sie quasi nach dem Motto ‚Bevor ich jemandes Lieblosigkeit ohnmächtig ausgesetzt bin, behandel ich mich lieber selber so. Das ist zwar auch nicht schön, aber zumindest habe ich die Kontrolle.‘ Würden Sie sich außerdem spüren lassen, dass Sie einen liebevolleren Umgang mit sich möchten, würde Ihnen vielleicht auffallen, wie kalt es in Ihrem Leben eigentlich ist bzw. war, als Sie klein waren. Und dass Sie evtl. den Weg nicht kennen.“

Klientin: „Puh… ja, da könnte was dran sein.“

Der Therapeut nickt und wartet kurz, bevor er fragt: „Und wie fühlt sich das an?“

Klientin: „Ziemlich heftig… mir wird ein bisschen schwindelig… und flau im Magen.“

Der Therapeut lässt ein paar Sekunden Raum, bevor er sagt: „Ja, das kann ich mir vorstellen. Lassen Sie uns da einen Moment bleiben.“

Klientin: „Muss das sein? Es ist wirklich sehr sehr unangenehm.“

Therapeut: „Wenn es zu intensiv wird, wäre es wahrscheinlich gut, langsamer vorzugehen. Aber die Gefühle, die Sie da gerade wahrnehmen, halte ich für wertvolle Botschafter Ihres Inneren. Ohne die haben wir keine Chance zu verstehen, wo Sie stehen und was Ihnen gut täte.“

Klientin: „Ich weiß gerade nicht, ob ich das überhaupt wissen will, wenn sich das so anfühlt.“

Therapeut: „Ja, es kann heftig sein, wahrzunehmen, wie es wirklich ist. Ich nehme es Ihnen auch wirklich nicht übel, dass Sie davor zurückschrecken. Ohne guten Grund würde das wahrscheinlich niemand in Kauf nehmen.“

Klientin: „Was soll denn daran gut sein? Ich will ehrlich gesagt lieber meinen Frieden…“

Therapeut: „Ja, das verstehe ich. Wenn Sie möchten, sag ich Ihnen etwas dazu, aber ich möchte auch achten, dass Sie sich gerade überfordert fühlen.“

Klientin: „Ja, danke… es geht schon… im Moment zumindest.“ Sie lacht nervös. „Aber ich würde gerne wissen, wie Sie das meinen.“

Therapeut: „Ok, gut. Also ich verstehe, dass Sie den Frieden mögen, aber leider hat er auch seinen Preis. Sie zahlen nämlichn unter Umständen damit, dass Sie sich darin nicht wirklich orientieren können. Das ist so, als würden Sie sagen: ‚Google, bitte entferne alle Seen und Flüsse auf der Landkarte. Die sind mir zu kompliziert, verwirren mich und machen mir Schwindelgefühle.‘ Wenn Sie dann einen Ausflug machen, kann es sein, dass Sie nass werden und absolut nicht verstehen, wie das sein kann.“

Die Klientin lacht, halb amüsiert, halb nervös: „Hmm… das wäre natürlich blöd. Sie meinen also, dass ich verhindern kann, dass ich nass werde, wenn ich diese Gefühle aushalte?“

Therapeut: „Es wäre ein notwendiger Anfang. Die Gefühle auszuhalten verschafft Ihnen Zeit, sich der Gefühle lange genug bewusst zu sein, dass Sie verstehen können, was sie bedeuten könnten. In der Karten-Analogie müssten Sie die Überwältigung aushalten, um Flüsse und Seen erkennen und entsprechend Ihre Ausflüge planen zu können.“

Klientin: „Ok, aber was sollen diese Gefühle denn bedeuten?“

Therapeut: „Naja, ich glaube ein bisschen wissen Sie schon darüber…“

Die Klientin atmet tief durch, wippt mit dem Fuß und greift sich nervös an die Stirn. „Ich find das gerad alles total schwierig. Sie haben ja Recht… aber ich stell mir gerade vor, wie ich nachher nach Hause gehe und mir wieder alle möglichen Gedanken darüber mache, was wir hier besprochen haben und dann…“ Sie wird still und birgt ihr Gesicht in ihren Händen.

Der Therapeut spürt die Betroffenheit. Er merkt, wie berührt er selber ist und ihm sanft die Augen feucht werden. Er kann das Dilemma der Klientin spüren und nachfühlen, wie zerrissen sie sich fühlen muss. Er sagt: „Ich nehme wahr, wie schmerzhaft das gerade für Sie sein muss.“

Die Klientin fängt an zu weinen, still und tief. Es ist, als dürfte sich etwas im Raum ausbreiten, was lange verborgen und weggedrückt war. Und auch wenn noch schwer zu sagen ist, was genau es ist, fühlt es sich dicht und greifbar an.

Die Klientin putzt sich die Nase und sagt: „Ich weiß gar nicht, wann ich das zuletzt so gefühlt habe…“

Therapeut: „Möchten Sie beschreiben, was das ist?“

Klientin: „Ich versuch’s… Sie haben ja vorhin gemeint, es könnte sein, dass ich mich selbst so grausam behandel, um nicht zu merken, wie kalt mich die Menschen behandeln, die in meinem Leben sind… Ich spüre gerade den Schrecken darüber, wie wahr das sein könnte. Und auch wenn ich das am liebsten weghaben möchte, habe ich gerade eine ganz leise Ahnung davon bekommen, wie schön es wäre, wenn ich so leben könnte… also, so, dass das, was ich da mit mir mache, gar nicht nötig wäre.“

Therapeut: „Ich bin froh, dass Sie das sehen können… ja, das wäre sicher eine große Erleichterung…“

Klientin, unter Tränen: „Ja, das wäre es… und ich habe überhaupt keine Ahnung, wie ich dahin kommen soll.“

Therapeut: „Ja… und die Gefühle von Ohnmacht und Hilflosigkeit, die Sie wahrscheinlich dabei fühlen, sind ja auch der Grund, warum Sie unbewusst dafür sorgen, dass Sie nicht einmal mitbekommen, dass Sie das wollen könnten.“

Klientin: „Ja, die sind auch echt nicht lustig, ey…“

Der Therapeut hält inne und lässt der Wucht in der letzten Äußerung Raum. Dann sagt er: „Das glaube ich Ihnen. Aber vielleicht wird jetzt klarer, was ich mit Orientierung meine. Erst wenn Sie sich vorstellen können, dass der Umgang mit Ihnen liebevoller sein könnte, haben Sie überhaupt nur eine Ahnung, worum es in Ihrer Situation gehen könnte. Das gibt Ihnen zwar keinen 12-Schritte-Plan dafür, wie Sie weiter vorgehen könnten, aber zumindest eine generelle Richtung und einen groben Maßstab.“

Die Klientin sagt amüsiert: „Ja, ich weiß, Sie sind planlos.“

Der Therapeut antwortet ebenso amüsiert: „So isses.“

Klientin: „Können Sie mir nicht irgendwas sagen? Ich halte das so schwer aus!“

Therapeut: „Was finden Sie denn so schwer aushaltbar?“

Klientin: „Naja, wenn ich ernst nehme, was ich da gerade gefühlt habe, finde ich mein Leben total furchtbar! Meine Eltern gehen genau so missachtend mit mir um, wie ich selbst, mein Job fühlt sich sinnlos an und meine Freunde… die sind schon ok, aber ich weiß nicht, ob die verstehen würden, worüber wir hier reden. Und das kann’s doch nicht sein, oder? Ich bin jetzt Mitte 30 und komme überhaupt nicht klar!“

Therapeut: „Ich kann sehen, wie viel das für Sie ist.“

Klientin: „Jawoll! Und ich will das eigentlich keinen Tag länger ertragen müssen. Aber wenn ich das ändern will… da kriege ich einfach nur Panik!“

Auch hier hält der Therapeut inne, damit die emotionale Wucht Raum bekommt. Nach einigen Sekunden Stille sagt er: „Ich kann den Druck spüren und verstehen… Verstehen Sie die Panik?“

Klientin: „Naja… nicht ganz, aber ich denke mir gerad, dass mir dann ja gar nichts mehr bleibt.“

Therapeut: „Sie meinen, Sie wissen dann nicht mehr, welche Form des Lebens zu Ihnen passt?“

Klientin: „Ja… und vielleicht finde ich ja nie eine passende…“

Therapeut: „Es könnte sein, dass Sie diese Form erfinden müssen und sich dafür nur an sich selber orientieren können.“

Klientin: „Oh Gott… das wird hart.“

Therapeut: „Ja, das kann sehr schwierig sein. Vor allem, wenn Sie dafür gewohnte Rollen aufgeben und Konflikte mit Menschen angehen müssen, die Ihnen wichtig sind.“

Klientin: „Das kann ich nicht!“

Therapeut: „Ich kann sehen, dass es im Moment unüberwindbar erscheint. Aber ich bin guten Mutes, dass wir genug über Ihre Angst verstehen können, wenn wir Ihre frühen Erfahrungen mit Ihren Eltern besser kennen.“

Klientin: „Auweia… ich hab’s befürchtet… darüber denke ich überhaupt nicht gerne nach… Wie soll das denn helfen? Können Sie mich nicht lieber hypnotisieren oder igendsowas?“

Therapeut: „Ich glaube leider nicht, dass es wirklich irgendeine Abkürzung darum herum gibt, auch nicht durch das, was Sie unter Hypnose verstehen mögen. Und manchmal wäre es auch mir lieber, man könnte daraus eine OP mit Narkose machen, bei der man als KlientIn aufwacht und alles ist anders, ohne die dunklen und schmerzhaften Ecken beleuchten zu müssen.“

Klientin: „Ja genau, das will ich! Das hätte ich gerne!“ Sie seufzt und fügt hinzu: „Aber gut, ich hab schon verstanden, dass das nicht geht. Trotzdem würde ich gern wissen, was das Wühlen in der Vergangenheit Gutes bewirken soll.“

Der Therapeut hält einen Moment inne und sammelt sich, bevor er fortfährt: „Schauen Sie, Ihr Nervensystem ist ja gerade auf 180. Das heißt, Sie kommen sich sehr bedroht vor und können sich nicht gut schützen, ohne wieder die Wahrnehmung Ihrer tatsächlichen Lebenssituation aus Ihrem Bewusstsein zu drängen. Daraus schließe ich, dass Anteile Ihres Nervensystems berührt werden, die sich strukturiert haben, als Sie sehr jung waren. Und ohne zu wissen, auf was für eine Situation die sich eigentlich beziehen, können Sie nicht unterscheiden, ob Ihre Angst berechtigt ist oder nicht. Es ist, als würden Sie ein Foto von damals über Ihre Wahrnehmung von heute legen und so reagieren, als sei das Foto die Wahrheit.“

Klientin: „Also, Sie meinen, die Angst davor, mein eigenes Leben zu leben, bedeutet gar nicht, dass das so schwierig ist?“

Therapeut: „Das weiß ich nicht. Es ist sicher nicht einfach. Aber wahrscheinlich ist es nicht lebensgefährlich. Deswegen glaube ich, dass die Intensität Ihrer Angst zu anderen Umständen gehört, die Ihnen noch nicht bewusst sind. Wenn Sie herausfinden, welche das sind, können Sie sich wahrscheinlich an Stellen trösten und beruhigen, an denen Sie aktuell nur weg wollen.“

Die Klientin wirkt überfordert: „Ok… das klingt sehr schwierig, aber es ergibt schon Sinn.“ Sie birgt ihr Gesicht noch einmal in ihren Händen. „… und es ist auch ziemlich viel gerade.“

Therapeut: „Ja… das sehe ich. Ich schlage vor, dass Sie das, was wir heute besprochen haben erstmal verdauen. Wir werden noch genug Gelegenheiten haben, uns dem Hintergrund dieser intensiven Gefühle zuzuweden. Wichtig finde ich für den Moment, dass Sie und ich merken, wie Sie sich aus Angst vor Ihren eigenen Urteilen nicht zeigen. Und dass Ihre Urteile, so unangenehm sie sein mögen, eine stabilisierende Funktion haben, die jedoch Ihre Warhnehmung verzerrt und damit eine stimmige Orientierung in Ihrer heutigen Lebenssituation sehr schwer macht. Über alles Weitere würde ich mir im Moment keine Gedanken machen, da es meiner Einschätzung nach ohnehin von selbst auftauchen wird.“

Klientin: „Ja… das ist gut. Darauf werde ich auch erstmal eine Weile herumkauen müssen…“

Therapeut: „Das glaube ich auch. Und wie gesagt, es eilt nicht und Sie müssen sich jetzt auch nichts überlegen. Bewusstsein reicht für den Moment. Ich wünsche Ihnen erstmal gutes Verdauen und eine gute Woche. Und nächste Woche können wir schauen, was aufgetaucht ist.“

Klientin: „Danke… ok, ja… Ihnen auch.“

Die Klientin verlässt hiermit den Praxisraum und der Therapeut schaut noch eine Weile aus dem Fenster, bevor er Folgendes in seine Notizen schreiben: „Projektion des Wunsches angesprochen, sich zu zeigen, Widerstand teilweise bewusst. Klientin mit dem Aggressor identifiziert, behandelt sich unbewusst ebenso lieblos wie ihre Familie, um die Ohnmacht nicht zu spüren. Intensiver, tiefer Schmerz spürbar, wirkt überwältigend, Hinweis auf Trauma. Zusammenhang mit Orientierung erläutert, große Angst vor Konflikten und der Notwendigkeit, sich eigenständig zu vertreten. Gleichzeitig wirkt der Weg alternativlos, da sie alles andere schon ausprobiert hat. Die Intensität fühlt sich nach längerer Arbeit mit einigen Rückfällen an. Ich bin berührt und optimistisch gestimmt.“

Zufrieden steht er auf und geht in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen. Er hört die Türklingel und der nächste Klient betritt die Praxis.

„I’m going to attract that into my life“

In today’s self-help subculture there is an often repeated proposition, represented by various people, that we can use our consciousness to create the life of our choosing. This is based on the so-called Law of Attraction or law of resonance, which says that things, that are the same, attract each other. The idea is, that thoughts create vibration patterns that, like magnets, connect with vibration patterns of other people, events and situations. If we therefore influence our own thoughts, we can influence our life. Unconsciously this is supposed to happen all the time anyway, but if we manage to raise awareness for our thoughts, we can steer them into the direction, we desire our lives to move towards to. A popular addition is also to combine this approach with insights from other fields of knowledge, like for instance Quantum Mechanics. This combination can suggest that the consciousness of an observer is a deciding factor in influencing the behavior of the observed. Following this idea we would be surrounded by a quantum field of possibilities. And if we have the right mental attitude, we could influence this field to manifest our desires.

Flowing forth from this perspective are sentences like the following:

„When you manage to recognize and resolve your old beliefs, you can create exactly the life that you desire from the bottom of your heart.“

„When you believe that you are not lovable, how is anyone else supposed to love you?“

„Your success is dependent on what you tell yourself. When you can really sense, how success would feel like, you send out vibrations that automatically attract it into your life.“

„When you meet someone who triggers, disturbs or threatens you, it’s your old patterns that are responsible. What is it you still believe that is in resonance with this experience? How have you attracted it into your life? What is the lesson that life is trying to teach you here?“


Here are some more quotes, that are often attributed to famous or invented people (with dubious sources and often altered), which either refer directly to the law of attraction or to the underlying principle.

Whatever someone thinks of himself, determines his fate.
Mark Twain

If you want and expect it, it will soon belong to you.
Abraham Hicks

No matter whether you believe you can do it or you can not to it, you will be right.
Henry Ford

The Law of Attraction attracts everything that you need, depending on the kind of mental life you live. Your environment and your financial situation are perfect reflections of your habitual thinking. Thought rules the world.
Joseph Murphy

You do not attract, what you want. You attract, what you believe is true.
Neville Goddard

Your word is your wand. The words you speak creat your own destiny.
Florence Scovel Shinn

You become what you think of the most.
John Assaraf

We are what we think. Everything we are arises out of thoughts. With our thoughts we create the world.
Buddha

The dominating thought or mental attitude is the magnet and the law says: same attracts same. That is why our kind of thinking is inevitably going to attract circumstances, that correspond to it its nature.
Charles Haanel

The happiness in your life is dependent on the nature of your thoughts.
Marcus Aurelius


Whenever I allow these phrases to touch me, I feel a mixture of euphoria and tension. I find them tempting and disturbing at the same time. For they promise power by force of will, while at the same time ascribing responsibility for everything that happens. Including aspects of life I do not like or suffer from. But could this really be true? Is there not something like fate? Where does the responsibility end? And what kind of power do I really possess? What does it mean, when I feel powerless? Does it only mean that I have not worked enough on myself?

I believe that the Law of Attraction is based on real psychological phenomena, that are actually way more differentiated than is obvious on the surface. This is exactly the reason why it is not easy to refute it or make meaningful distinctions. I actually believe that many people have profited from approaches that are based in one form or another on the Law of Attraction. And I also believe that people representing this approach sometimes do have a deeper understanding than gets obvious in the marketing. At the same time I want to take the stress and disturbance seriously, that goes with exaggerating the role of willpower and overloading personal responsibility. In this article I want to shed light on how to separate the wheat from the chaff.

Powerlessness

The original situation in which people get interested in approaches connected to the Law of Attraction is usually one of powerlessness. Maybe I have fallen in love with an emotionally unavailable woman for the 5th time. Or I have been struggling financially for years and want to finally breath freely when I check my bank account. I might also be working a job that does fill my bank account, but drains my heart. Perhaps I have a dream that is so far from my reality, that I only feel numb when I think about it. There could also be a lethal illness that threatens me. The experience of powerlessness is the common denominator.

Powerlessness is an existential experience. It means that something, that is essentially important for our well-being, lies beyound our reach or at least seems to. Sometimes it is not at all clear what the real possibilities would be, given an all-knowing observer. Inner and outer life-situations are often complex and can quickly become incomprehensible. Maybe it is just me thinking that I cannot do anything? What if I just have not yet found the right buttons to press? After all, there are enough people, who seem to have „made it“… why should it be just me, who does not? And in principal we can always say with Viktor Frankl: until we die, we become. Until then we do not know, what is in store for us.

Magic, Myth and Mind

In order to be able to categorize the Law of Attraction regarding the experience of powerlessness, I want to lay some groundwork. There is a way in which we can understand the history of human progress as a history of the fight of the human will against the kind of powerlessness, that can threaten the very survival as well as a fulfilling life. Phenomena that seemed to be insurmountable challenges just a century ago, are not a problem anymore today. Just considering the fields of medicine, mobility and communication can show us, how radically the world has changed, as the examples of the internet, air travel and drastically decreased infant mortality rates are able to demonstrate. Without the human mind this would not have been possible. This tool has allowed us in many respects to improve our existential situation and make essential experiences possible. Of course there are many other examples, but I want to use the field of psychotherapy to elaborate on what the mind has contributed to progress. And where its limitations are.

Before we had anything akin to a teaching of neurosis, the best theories on what we call mental illnesses today, were magic and mythic models of explanation. People were believed to be able to use magic and curses to influence the inner state of other people. The voodoo-doll is always an impressive example, but also the „evil eye“, by use of which people could be banned from their tribe, subsequently dying of isolation and hopelessness. In the magical perspective on the world we solve the problem of powerlessness by creating symbols of something real (like the voodoo-doll or certain words or phrases), that we can manipulate. By way of the magical connection between symbol and reality we can influence the latter, by changing the former.

In the mythic perspective, influence happens mediated through powerful beings like gods, demons, spirits and angels, whose support we can ask, pray or make sacrifices for. If they heed our plea, they can heal sicknesses, bring riches, grant good harvests or bless a love-relationship. They could also be made responsible for phenomena, for which nobody had any other explanation, like e.g. in the case of demon posession. In this fashion, inexplicable psychological states fell into the domain of magic and myth. Against this background we can also understand the stigma of these kinds of states, which is fortunately continuously receding. For those states would be understood as evidence of the disfavor of higher beings, who did not want to help but harm this person. And everyone who would get close to him or her would suffer the same fate.

It was not until the recognition of inner correlations and the naming of psychological cause-and-effect-relationships by Sigmund Freud and his contemporaries that we understood, we could entirely do without magic or myth to counter this kind of suffering. And in order to be respected as a physician in matters of the soul, Freud used the medical model and declared psychological suffering to be a sickness, which could be cured in the classical sense. Thus, also in this context we developed strategies to use the mind to keep powerlessness at bay.

The interesting point, though, is as follows: Even though many present approaches in psychotherapy try to resolve psychological issues in a strictly manualized, rational and willful fashion, the process to which Freud’s psychoanalysis was referring to, does not work in a linear-rational manner at all. Freud’s discovery of the unconscious actually means that most of the psychological content escapes the direct graps of the waking mind and is therefore only accessible to indirect methods, if it is not supposed to fall prey to censorship. Hence the importance of dreams, Freudian slips and free association as access points to feelings, wishes and needs that seem to be too threatening in the everyday environment of a particular human being to be processed consciously. We do need our mind in order to gain order and orientation in these areas of ourselves, but we also need something else.

Intuition

The psychiatrist Iain McGilchrist writes in his book „The Master and his Emissary“ about the functions of the two brain-hemispheres in human beings. According to him we need our left hemisphere for linear processes like language, thinking and planning, without which we would not be able to act. In the meantime, the right hemisphere perceives the „field“, recognizes patterns in the unknown, senses interrelationships and orients us intuitively. Those are very different kinds of perceiving oneself and the world, that both contribute something very vital and important.

I like to imagine the difference by using the example of „draw by number“: using the left hemisphere, we connect the numbers thereby forming a pattern. Using the right hemisphere we recognize the pattern. Sometimes this works already, before the pattern is complete. Whatever we perceive using the right hemisphere only becomes available to our conscious speech, thinking and action, when we manage to connect it to our left hemisphere. Thus we can express what we perceive through our right hemisphere. Without this expression we cannot communicate to others and have a hard time to sort through our perceptions. In my understanding, psychotherapy mainly deals with this process of connection, in which unconscious experience from the right hemisphere becomes conscious and expressable enough to be accessible for our actions.

McGilchrist posits the hypothesis that the different modalities allowed for human beings in a pre-historic environment to use the left hemisphere to take care of planning for food and protection by conscious action, while the right hemisphere vigilantly observed the surroundings. Therefore we need both hemispheres for the whole picture which orients us in the best way possible and ensures our survival.

Like the title of his book suggests, McGilchrist makes the point, that the right hemisphere should lead as the master, while the left one follows as his emissary. The field perception of the right hemisphere unconsciously takes in way more information, than the precise focus of the left hemisphere ever could. Apart from that, it is open to everything new and unknown. In the meantime the left hemisphere categorizes stimuli in such a way, that we know what to do with them: is the stimulus useful, dangerous or inconsequential? Without this categorization we do not have any orientation on the level of action. Because of this narrowing on categories, the left hemisphere cannot know what it does not know and is apt to believe that willpower should suffice in reaching a goal. The more complex a situation is, however, the more important it is to gather all the information in the field and use it meaningfully for our own decisions. If we take this seriously, it means that we need non-rational leadership for complex situations in order to make decisions, that have rational meaning and serve us and other human beings. One way to talk about this kind of leadership is intuition.

In a german podcast, Vivian Dittmar, author of the book „The inner GPS“, explains that intuition means a kind of perception that we cannot explain rationally in the present moment, although it turns out to be coherent and useful often enough. Its usefulness does, however, depend on the kind of experience a person has in the given field of expertise. As a psychotherapist, I might be able to sense the inner worlds behind a given sentence, but I would suck at predicting the stock market. Thus we can see that the field perception of the right hemisphere does indeed have something to do with reality, even though we might not always be able to say, what the connection is. And everyone, who has gathered long-time experience in a certain field of expertise, knows, that he or she is able to sense what to do at a given point in time, without having to think about it.

Before rational and after rational

Accepting the premise, that we need non-rational leadership, leads us to an important question: How do we recognize, whether this non-rational entity actually relates to what we can perceive in reality? What if we are mistaken? Are not magic and myth also non-rational ways of understanding the world and fighting powerlessness? What about those? Sure, sacrificing a virgin to a god certainly has calmed down a lot of people, but is this really necessary? Does it help? And is the price acceptable?

For me this leads to the conclusion, that not everything, that is non-rational, has the same quality and value. The US-philosopher Ken Wilber organizes this problem by using a developmental sequence, that is based on research and theories by various developmental psychologists (among others Jean Piaget, Clare Graves, Robert Kegan, Jane Loevinger, Susanne Cook-Greuter). To that end he speaks of a rough model with three stages, through which both mankind and every individual human being can develop. The stages are called pre-rational, rational and post- or trans-rational.

It is exactly these stages onto which we can also map the different approaches to the problem of powerlessnes, that I have addressed above. Against this background we can recognize that both pre-rational and trans-rational thought are both non-rational and can therefore be confused with each other. Pre-rational myths can be construed as trans-rational wisdom and vice versa. But in their relationship to the rational mind there is a very important difference, because trans-rational thoughts take the rational into account, even if they transcend them. Pre-rational thoughts ignore what we can perceive with the rational mind or are directly in conflict with it.

A good example might be the way Joseph Campbell deals with myth: on a pre-rational level, we take myths and mythological figures literally and actually believe that they really exist and have power. Trans-rationally we take myths as metaphors and projections of unconscious movements of the soul, which can tell us important insights about our internal and external life. It is exactly this distinctive characteristic that I want to use as a standard, by which I make distinctions regarding the topic of the Law of Attraction.

The heart of the matter

I believe that the idea expressed by the quotes in the beginning of this article, does not work in this way. Without further differentiation I get the impression of a magical, i.e. prerational connection, in which I can manipulate the world directly through my state of consciousness. Following this idea, through my thoughts and mediated by e.g. the quantum field, the world should comply to my desires, spare me any dangers and offer me only wholesome opportunities. At least, when I have worked on myself enough. If the world does not comply, it has to be due to the fact that I have not done enough. At the bottom line, this perspective suggests hope for total control over my life, if I just had these „damn states of consciousness“ down. I can use this perspective to defend against the awareness of a lot of forces in the world that are out of my hands – chief among them my own unconscious and the will of another human being, who can love and who can harm us.

I believe the true core of all the approaches connected to the Law of Attraction has to do with uncovering of unconscious processing patterns, which confuse our orientation as adults and lead to repeated decision making, that might „feel great“ at the time, but does not lead to any desired outcomes. These „great feelings“ might also consist in not rocking the boat and leaving everything as it is, to not endanger the stability in ourselves and in our lives. Typically this approach leads to situations in which we experience powerlessness, because the same thing happens over and over again and we cannot „for the life of it“ understand, how this is possible.

Beliefs

To understand these unconscious processing-patterns, we need to consider the childhood situation that I have already referred to in articles like Mediation. In this situation, parts of our nervous system develop and without inner work, they continue to work the same way in adult life, as they did in childhood. As a child we are dependent for our very survival on the relationship to our mother or our primary caregivers respectively. Therefore we feel an enormous pressure to do everything possible to ensure its stability. When we fail to do so, we are confronted with panic and fear of death, which for a child are only tolerable to a certain degree. In order to ensure more or less stable conditions for growing up, we therefore push every stimulus for this panic out of awareness and thus distort our perception. This makes for what we could call „programs“ and structures for our sense-making process regarding ourselves and reality. And one experession of these structures are beliefs about ourselves and others, which usually have a general and absolute quality to them. Here are some examples:

„I’m too stupid, dumb, ugly, not good enough.“
„As a woman I should always be nice and quiet.“
„All men want sex. Always.“
„Whoever has money has no soul.“
„Whoever wants me has to be so deepy disturbed that I do not want him/her.“
„When someone is not available, it’s because I haven’t done enough.“

These beliefs are usually the way in which we managed to push unbearable experiences out of awareness as a child. As long as I believe, e.g., that I am stupid, I do not trust my senses and prevent myself from noticing, how my parents hurt me. When I tell myself that I am ugly, I may be able to defend against noticing unwanted attention. When I believe that money and having a soul do not go together, I can live more easily with poverty. To believe that somebody who wants me, must be disturbed, possibly protects me from the experience of being overwhelmed or engulfed by someone’s closeness. As long as those beliefs are unconscious, we perceive ourselves and our surroundings in a way, that has much more to do with our past situation, than with the one of today. This means that we cannot really consider our present situation, when we make a decision. And thus we can overlook opportunities and dangers, which we would notice, if we were more conscious.

Gaining consciousness on early circumstances is easier said than done, because the distress and pain of the past tend to reappear when we allow ourselves to question our beliefs. I like to take the following image to illustrate this: since our heart hurt so much, that the pain became unbearable, we put it on ice. That numbed the pain and stabilized the inner situation in such a way, that survival was possible. Since our heart is also our compass, which orients us regarding important life decisions, we can only use it for our own purposes today to the extent that it is no longer frozen. Following this image, the next step would be to unfreeze the heart so that it can serve as compass once more. And if you have ever felt, how unfreezing fingers feel like after having been frozen, you know, how uncomfortable that can feel like.

Confusion is the price of defense

I want to take a case as an example, in which a client for the 5th time in his life actually had fallen in love with a woman, who was not emotionally available. In this case, after a brief commitment and a break-up by her, there had been a couple of on and offs and he had been hoping for living together and founding a family. However, again and again she withdrew. Generally he had been quite mindful and attentive towards her, took her seriously, expressed himself as openly as he could… and still: the relaxed flow of connection, that he was looking for, did not emerge.

This experience had repeated itself a couple of times and he was sick and tired of it. He related, how every time the woman had felt like it was super important to win her over, without actually knowing why. The fact that he was unable to articulate this was odd, because of his overall well developed linguistic and cognitive capacity. Considering his early childhood situation, we found out, that he had not been able to reach for and connect to his mother, whenever he was feeling powerlessness, sadness or anger. In those instances she withdrew and he could not do anything to prevent it. Any kind of begging or protest had not helped. Sometimes it had been especially difficult, because the withdrawing did not happen on a physical but a psychological level, even though her body was still there. This meant that a part of his had not been mirrored. And since he had been feeling insecure about being actually recognizable on a deep soul level, he had doubts about actually existing as a sentient being with a vital internality.

This left him with a deep yearning and powerlessness, which he had been trying to numb by keeping up the fight for connection against all odds. He told himself that he might not have shown up enough or that he just had not understood properly yet, how a real relationship was supposed to work. And that he would just have to put more effort into understanding the internal conflicts of the woman, imagining, he might be able to resolve her conflicts and win her over. In a way he held on to the belief that he, as he was, might not be good enough to deserve being seen or loved. This belief had the function to defend againts the powerlessness, that came about with the fact, that the withdrawing of his mother’s had nothing to do with him and lay way beyond his grasp. Realizing this powerlessness as a child would have meant despair without any hope for change.

When seen from my perspective, the relationship to this woman had looked impossible to me for quite some time, but my client would not have any of it. He had tried to turn the tiniest spark into a fire and would become angry, when somebody tried to talk him out of it. Uncovering his belief about his inadequacy meant that he had to face the real powerlessness, that he had experienced as a little boy. For a long time this had seemed like pure horror to him – something to be avoided at all cost. It took quite some time, accordingly, before he was able to realize his limitations, when the next setback came along.

Finally, when he was able to bear the horror and sense the love within him, despite being unreciprocated, he was able to realize, that he paid in orientation what he gained in illusory control by believing in his inadequacy. This was why he had been unable to recognize when a woman was so afraid of her internal conflicts that she would probably be unable to commit to him in the way that he was looking for. In order to be able to realize this, he would have to take his nervousness seriously, that he had been numbing by his hopeful outlook. Because of this outlook he had been falling in love with women, who had initially seemed to be willing to the kind of openness he was looking for, only to subsequently signal their overwhelm and wish to withdraw. For him this looked like he could actually change something, just as he had believed, when he had been a little boy, just not to fall prey to utter despair. The awareness of the kind of glasses, he was wearing, allowed him to take them off, to look at them and perceive his counterpart with clear standards for what he wanted to engage in and what not.

The child and the bath water

Against the background of this case vignette, the degree of accuracy of the title „I’m going to attract this into my life“ might become apparent. From a trans-rational perspective, we are not talking about a magical process of attraction due to a supernatural quantum field, but a clarification and reorganization of perception. This process is not merely rational, but it is possible to describe it in terms, that do not violate principels of reason. However, since we are considering complex phenomena, we are dependent on the field perception of the right hemisphere of the brain, which shows up as intution, given a certain level of awareness and experience. Field perception allows us to spot, order and weigh dangers and opportunities differently than we habitually do. Once we get clear on the standards, by which we measure our lives and become able to differentiate those standards from our beliefs, we can change the focus of our attention. And this new orientation can then lead to us „creating“ a new life.

For my client this meant at first, gaining security and confidence in the ability to actually know his real aspirations and desires in life. Disorientation recedes increasingly, the clearer he can perceive the realness of his love, even when it is not reflected back to him, while at the same time grasping the nature of his situation. With this kind of confidence he is able to take risks and can check diligently, whether a woman is able to hold herself, when she is afraid. He can steer his level of engagement, before risking the same experience again. Maybe this kind of perception leads to him noticing a woman, that he might have overlooked before, because he had underestimated her capacity for openness. Another possibility altogether might be, that he wants to create a safe home for his love within himself, before trying his luck in the next relationship.

All of these are descriptions that go beyond the rational mind, but are not in conflict with it. With this kind of empowerment I cannot see any kind of grasp for total control, resulting in no pressure to be able to hold the reins about things that I have no power over. I can agree with that whole-heartedly. Without this differentiation, however, I am afraid that approaches related to the Law of Attraction do more harm than good and that the illusion of magical control eventually leads to even more powerlessness, disappointment and self-hatred.

Plan- aber nicht orientierungslos

Ich bin in meiner Arbeit als Psychotherapeut immer wieder mit dem Wunsch nach einem Plan oder Ratschlägen konfrontiert, den ich weder erfüllen kann noch will. Ich möchte an dieser Stelle meinen Umgang damit in Form eines Dialoges darlegen, wie er in meiner Praxis schon oft vorgekommen ist. Darin erläutere ich einige Eckpunkte meiner inneren Orientierung, wie ich sie aktuell sehen kann, und demonstriere, wie ich Klientinnen und Klienten damit in Berührung bringe.

Es ist Mittwoch, 12h, 3. probatorische Sitzung. Die Klientin ist Mitte 40 und erzählt von einem Leben in Enge und einigen scheinbar ausweglosen Situationen. Mir fällt wiederholt auf, dass sie an bestimmten Punkten das Gesicht verzieht und ich spreche sie darauf an.

Klientin: „Ja… ich kenne das von mir. Das mache ich immer, wenn ich kurz davor bin zu weinen.“

Therapeut: „Ok… und warum stoppen Sie sich?“

Klientin hält inne, Tränen tauchen auf und sie schluckt: „Was habe ich denn davon, wenn ich dann losheule… das muss ich nachher nur alles wieder mühsam verpacken.“

Therapeut: „Sie haben Angst, von Ihren Gefühlen überflutet zu werden?“

Die Klientin nickt.

Therapeut: „Und dass Sie sie dann später um so schwerer verstecken können, wenn Sie z.B. bei Ihren Kindern sind?“

Klientin: „Ja, genau.“ Sie atmet tief durch und sagt: „Ich bin hier, weil ich Ratschläge möchte, nicht um hier auseinanderzufließen.“

Der Therapeut wird still und sagt nach einer Weile: „Hmmm… ich fürchte, dass ich Ihnen dann nicht werde helfen können.“

Die Klientin schaut erstaunt auf:Warum nicht? Eigentlich dachte ich, dass es bei Therapie genau darum ginge…“

Therapeut: „Ich bin froh, dass Sie das sagen, denn ich würde Sie gerne so früh wie möglich über meine Haltung dazu aufklären. Es ist nämlich so, dass ich keinen Plan davon habe, was gut für Sie wäre.“

Klientin: „Ach nicht? Lernt man das denn nicht in Ihrer Ausbildung?“

Therapeut: „Hm… Ich höre, dass Sie sich jemanden an Ihrer Seite wünschen, der in dieser verwirrenden Lage mehr Orientierung hat, als Sie, stimmt das?“

Die Tränen steigen wieder auf und die Klientin unterdrückt sie mit Mühe: „Ja… die fehlt mir nämlich völlig, zur Zeit.“

Therapeut: „Nun, dass ich keinen Plan habe, bedeutet nicht, dass ich keine Orientierung habe. Aber darunter verstehe ich auch etwas anderes.“

Klientin: „Was meinen Sie denn damit?“

Therapeut: „Ich möchte es Ihnen erklären und Ihnen dafür ein bisschen Hintergrund vermitteln. Ihnen ist sicher bekannt, dass wir Menschen ein asymmetrisches Gehirn haben. Das heißt, unsere zwei Hirnhälften sind sehr unterschiedlich.“

Klientin: „Ja, davon habe ich schon mal gelesen.“

Therapeut: „Dieser Unterschied erlaubt uns zwei sehr unterschiedliche Wahrnehmungsmodi, welche beide eine wichtige Rolle für die Therapie haben. Im Allgemeinen sind wir aber mehr mit dem vertraut, was die linke Hirnhälfte tut. Daher auch die Idee, Ratschläge oder einen Plan an die Hand zu bekommen. Dafür ist nämlich die linke Hemisphäre zuständig. Genau genommen geht es dort um die Fähigkeit, handeln zu können – etwas, was Ihnen gerade total abgeht.“

Klientin: „Ja, das stimmt. Ich weiß gerad überhaupt nicht, was ich tun soll.“

Therapeut: „Ok. Handlungen basieren auf der Fähigkeit, zwischen verschiedenen Möglichkeiten Hierarchien bilden, d.h. entscheiden zu können, was wichtig ist und was nicht. Ohne eine solche Priorität bleiben wir in an bestimmten Punkten im Leben in der Schwebe, können uns nicht entscheiden und entsprechend auch nicht handeln. Das ist bei Ihnen gerade der Fall, denn Sie sagen ja, egal an welcher Stellschraube Sie drehen, etwas daran passt nicht.“

Die Klientin fühlt wieder ihre Tränen aufsteigen und sagt: „Ja, es ist zum Verzweifeln, ich fühle mich total ohnmächtig.“

Therapeut: „Ja, das sehe ich… und ich glaube es ist wichtig, das zunächst mal zu fühlen und auszuhalten.“

Klientin: „Ja, aber warum denn? Das ist so unfassbar unangenehmen… ich möchte, dass das aufhört!“

Therapeut: „Weil Sie ohne Fühlen keine Chance haben, sich stimmig in Ihrem Leben zu orientieren.“

Klientin: „Oh…“ Sie wird still und sagt nach einer Weile: „Ich ahne was Sie meinen, aber ich verstehe es noch nicht…“

Therapeut: „Naja, um handeln zu können, müssen wir wissen, was wichtig ist. Dafür ordnet die linke Hirnhälfte bekannte Reize in Kategorien ein. Ganz grob gesagt haben wir davon drei: Ist es nützlich? Ist es gefählich? Oder ist es egal? Alle Reize, die Sie kennen, werden Sie vermutlich genau so einordnen und alles andere erkennen Sie aktuell einfach nicht. Sie haben da einen blinden Fleck. Die linke Hemisphäre kann Ihnen dabei nicht helfen, da ihre Aufmerksamkeit fokal ist, d.h. auf einen Punkt gerichtet und mit dem Einordnen in genau diese Kategorien beschäftigt ist. Wenn man die Punkte des Fokus aneinanderreiht, ergeben sich daraus lineare Prozesse, wie z.B. die Sprache, die ich gerade einsetze, um Ihnen dieses Verständnis zu vermitteln. Lineare Prozesse sind super, so lange eine Situation einigermaßen übersichtlich bleibt. Wenn Sie von A nach B wollen, kann es sein, dass Sie dafür ein paar Schritte hintereinander machen müssen, die leicht unterscheidbar sind und schon sind Sie da. Genau danach fragen Sie mich, wenn Sie Ratschläge von mir wollen.“

Klientin: „Ok… und Sie wollen mir sagen, dass meine Situation nicht wirklich übersichtlich ist und das deswegen so nicht funktioniert?“

Therapeut: „Ja, genau. Ihre Situation ist komplex und wenn Sie dafür eine lineare Lösung hätten, wären Sie nicht hier.“

Klientin: „Das stimmt wohl. Aber was mache ich dann stattdessen?“

Therapeut: „An dieser Stelle kommt die rechte Hirnhälfte in’s Spiel. Sie ist für etwas zuständig, was ich Feldwahrnehmung nennen möchte. Dabei geht es darum, Reize aufzunehmen, die unbekannt oder unbewusst sind und die wir noch keiner Kategorie zuordnen können. Der Psychiater Iain McGilchrist meint dazu, dass wir in prähistorischer Steppe wahrscheinlich mit der linken Hemisphäre gejagt und uns geschützt haben, während wir die rechte Hirnhälfte dafür gebraucht haben, Ungewöhnliches in unserer Umgebung zu bemerken, um uns vor Gefahr zu warnen: das Rascheln im Gebüsch z.B., das auf Löwen oder andere Raubtiere hinweisen könnte.
Feldwahrnehmung ist nicht linear, sondern parallel. Das heißt, wir nehmen ganz vieles auf einmal wahr, was wir mit der linken Hirnhälfte gar nicht alles erfassen bzw. wiedergeben können. So habe ich z.b. einmal auf der Autobahn plötzlich ein ganz mieses Gefühl im Bauch gehabt und zwei Sekunden später wurde ich geblitzt.“

Die Klientin lacht auf und wirkt einen Moment erleichtert.

Therapeut: „Ja, ich hätte das gerne sofort zugeordnet und gebremst, aber ich habe es in dem Moment nicht verstanden. Aus der Feldwahrnehmung ergeben sich nämlich Muster in der Wahrnehmung und Gefühle im Körper, die wir nur mit bewusster Aufmerksamkeit verstehen und einordnen können. Um uns in einer komplexen Umgebung mit vielen Variablen zurecht zu finden, sind wir auf diese Gefühle angewiesen, so unklar und verschlüsselt sie unserem Bewusstsein manchmal auch vorkommen mögen. Ohne diesen Zugang haben wir nur die linke Hirnhälfte mit ihren Routinen, die sich aber auf neue Situationen nicht übertragen lassen. Das Ergebnis ist Ohmacht, sobald etwas Neues und Unbekanntes auftaucht.“

Klientin: „Hmm… ok. Ich brauche also meine Gefühle, um wahrzunehmen, was wirklich los ist?“

Therapeut: „Ja. Und um wahrzunehmen was Sie wirklich brauchen. Wenn Ihnen das klarer wird, wird es Ihnen aller Voraussicht nach auch gelingen, Prioritäten zu setzen und etwas Neues für sich zu tun, auch gegen Widerstand von außen.“

Die Klientin seufzt: „Verstehe… puh, das finde ich aber ganz schön schwer.“

Therapeut: „Ja… das denke ich mir. Ich nehme wahr, wie schwer die Ohnmacht wiegt, wenn ich zu Ihnen hinspüre.“

Die Klientin spürt wieder den Druck, verzieht das Gesicht und sagt: „Ja… das stimmt.“ Sie schluckt und fährt fort: „Ok, das verstehe ich alles, aber wenn ich diese Gefühle zulasse, wird mir das unheimlich schnell zu viel. Nach den letzten beiden Sitzungen habe ich es gerade so geschafft, danach nicht unkontrolliert loszuheulen… das zieht ja einen ganzen Rattenschwanz nach sich, verstehen Sie?“

Therapeut: „Ich verstehe, dass es sehr intensiv für Sie ist und Sie einen sicheren Raum brauchen, um sich so zu öffnen.“

Klientin: „Ja, das stimmt… danke.“

Therapeut: „Und das zu beachten, finde ich wichtig, weil unser Nervensystem so etwas wie Intensitätgrenzen hat. Gefühle sind nur dann für die Orientierung nützlich, wenn sie intensiv genug, aber nicht zu intensiv sind. Gehen die Gefühle über die aktuelle Obergrenze hinaus, erleben Sie Überflutung und können nicht mehr wahrnehmen und beachten, was Sie fühlen. Das Bewusstsein wird gewissermaßen „geschluckt“ – und genau um das Bewusstsein geht es ja, denn das brauchen Sie zum einen, um sich beruhigen zu können, zum anderen um die Gefühle sinnvoll deuten zu können. Bleiben die Gefühle unter der Untergrenze, sind sie andererseits zu dumpf oder subtil, um sie wirklich wahrnehmen und zur Orientierung nutzen zu können. Wir müssen also zwischen den Grenzen bleiben, wenn wir die Gefühle nutzen wollen.“

Klientin: „Und wie treffe ich jetzt genau diese Zone in der Mitte?“

Therapeut: „Das können wir wohl nur ausprobieren, mit dem Risiko, dass wir manchmal daneben liegen.“

Klientin: „Na toll… das heißt, ich muss schauen, ob ich das will.“

Therapeut: „Ja, das müssen Sie abwägen. Wichtig finde ich allerdings auch zu sehen, dass diese Grenzen nicht fix sind, sondern dehnbar. Ich stelle mir die Kapazität unseres Bewusstseins, intensive Gefühle zu fühlen, manchmal wie ein Goldfischglas mit Lottokugeln drin vor. Wird es heftig, bewegen sich die Kugeln so schnell, dass sie aus dem Glas herausspringen. Dann können wir sie nicht mehr bewusst wahrnehmen und alles wird zu viel. Wird das Glas jedoch größer, steigt auch die Kapazität, intensive Zustände wahrzunehmen, ohne auszusteigen. Und damit wächst die Fähigkeit, wahrzunehmen, wo Sie wirklich sind und wie Sie dort für sich sorgen können.“

Klientin: „Ok und wie kann das Glas größer werden?“

Therapeut: „Wenn Sie sich hier mit mir öffnen, haben Sie nicht nur Ihr Bewusstsein, sondern auch meines zur Verfügung. Der Raum des Goldfischglases kann dann größer werden und das ist in meinem Ermessen eine der Hauptwirkungen von gelingender Psychotherapie. Wenn Sie alleine etwas dafür tun wollen, würde ich Ihnen Meditation empfehlen. Darunter verstehe ich, dass Sie für eine bestimmte Zeit am Tag nichts tun, außer mit dem Fokus in Ihrem Körper zu sein und was Sie dort fühlen. Wenn Sie einen Impuls zum Handeln haben, fragen Sie sich, was Sie fühlen und bleiben mit der Aufmerksamkeit dort. Wenn Sie merken, dass Sie über etwas nachdenken, fragen Sie sich, was Sie zu den Gedanken fühlen und bleiben Sie dort. Es geht nicht darum, etwas zu benennen oder zu analysieren, nur wahrnehmen und beachten. Das erweitert auch das Glas.“

Die Klientin lacht und sagt: „Jetzt haben Sie mir ja doch einen Ratschlag gegeben.“

Der Therapeut lacht auch und antwortet: „Und? Wie finden Sie das?“

Klientin: „Gut… ich glaube, damit kann ich etwas anfangen. Genau genommen ist es ja ein Ratschlag, der mir bei der allgemeinen Orientierung helfen kann und nicht etwas, was mir sagt, was ich zu tun hätte.“

Therapeut: „Ich bin froh, dass Sie den Unterschied sehen.“

Die Klientin wird still. Sie sieht nachdenklich aus. Dann fragt Sie: „Wissen Sie, ich wundere mich schon darüber, warum das so intensiv wird, wenn ich anfange zu weinen. Ich wäre gerne stärker.“

Therapeut: „Sie meinen, Ihre aktuelle Situation reicht nicht aus, um zu erklären, warum es Ihnen nicht gut geht?“

Klientin: „Naja… einerseits schon, weil es wirklich viel ist. Und ich halte das schon lange aus, habe kaum Menschen, mit denen ich darüber reden kann… aber ich verstehe nicht, warum ich mich so anstelle. Eigentlich müsste ich mir einfach eine Wohnung suchen, ausziehen und gut ist. Warum hampel ich damit so herum?“

Therapeut: „Genau um das herauszufinden brauchen wir die Feldwahrnehmung der rechten Hirnhälfte. Und Sie haben sie gerade auch eingesetzt, denn dieses ‚Irgendwie erklärt es das nicht…‘ ist genau das, was wir durch unsere Gefühle wahrnehmen können. Es geht um die Gewichtung, um die Bedeutungsschwere gemessen am heutigen Kontext. Und ich stimme Ihnen zu, dass da etwas nicht zusammen passt. Was das aber ist, weiß ich noch nicht.“

Klientin: „Und wie lässt sich das herausfinden?“

Therapeut: „Naja, genau dafür hat Sigmund Freud so viel über das Unbewusste gesprochen, das sich der fokalen Aufmerksamkeit unseres Verstandes und der linken Hirnhälfte entzieht. Wir kommen da also nur indirekt dran, über Assoziationen, Träume, Ideen, Gefühle. Und das braucht Zeit. Was ich aber aktuell orientierend sagen kann, ist folgendes:
Teile Ihres Nervensystems tragen die Prägungen der Zeit, in der sie entstanden sind, sind also an die Situation Ihrer Kindheit angepasst. Das heißt, an diesen Stellen fühlen Sie genau so wie als kleines Mädchen. Grundsätzlich gehört zur Kindheitssituation dazu, dass wir auf Menschen angewiesen sind, die in sich Begrenzungen haben, an denen wir als Kind nichts ändern können. Und das kann einen in unfassbare Not bringen, die so unerträglich ist, dass wir sie aus dem Bewusstsein drängen müssen, um am Leben zu bleiben. In dem Maße, wie wir das tun, steht uns unsere Wahrnehmung nicht mehr zur Verfügung und wir verlieren Orientierung. Damit werden Sie es heute auch zu tun haben.“

Klientin: „Das heißt, wir müssen meine Kindheit reflektieren?“

Therapeut: „Ja. Je mehr Sie darüber wissen, wie es damals für Sie war, desto besser können Sie zwischen heute und damals unterscheiden. Das heißt zwar oft noch nicht, dass Sie weniger intensive Gefühle haben, aber Sie glauben dann zumindest nicht mehr, dass Sie daran sterben oder eine Situation wirklich so schlimm und auswegslos für Sie ist, wie sie sich anfühlen mag. Und wenn Sie dort einmal sind, können Sie glaubhafte Vorstellungen davon entwicklen, in welche Richtung Ihr Leben wirklich besser werden könnte.“

Klientin: „Puh… das wird hart.“

Therapeut: „Ja, das kann es sein. Darum ist es wichtig, dass Sie mir einen klaren Auftrag dazu geben, an dem Sie und ich messen können, ob das, was wir gerade tun, den Schmerz wert ist, der dabei auftaucht.“

Klientin: „Ich komme ja wohl nicht darum herum, wenn ich verstehen will, wo ich stehe und was ich brauche, um es mir besser gehen zu lassen.“

Therapeut: „Ich bin froh, dass Sie das sehen.“

Klientin: „Ok, den Auftrag haben Sie. Was wollen Sie wissen?“

Therapeut: „Lassen Sie uns bei Ihren Großeltern beginnen…“

„Das ziehe ich mir in mein Leben“

Audio-Version des Artikels, gelesen vom Autor

Es gibt in der heutigen Selbsterfahrungs- und Selbsthilfe-Szene in vielen verschiedenen Vertretungen die Position, dass wir kraft unseres Bewusstseins unser eigenes Leben gestalten, erschaffen oder kreieren können. Dem wird in der Regel das Gesetz der Anziehung oder auch Resonanzgesetz (engl. Law of Attraction) zu Grunde gelegt, welches besagt, dass Gleiches Gleiches anzieht. Demnach erzeugen Gedanken Schwingungsmuster, die mit Schwingungsmustern von anderen Menschen, Ereignissen und Situationen wie Magneten in Resonanz gehen. Beeinflussen wir also unsere eigenen Gedanken, können wir demnach auch unser Leben beeinflussen. Dies geschehe unbewusst sowieso die ganze Zeit, aber wenn wir uns unsere Gedanken bewusst machten, könnten wir es in die Richtung steuern, in die wir wollten. Beliebt ist auch, diesen Ansatz mit Erkenntnissen aus anderen Wissensgebieten zu verknüpfen, wie beispielsweise der Quantenmechanik, die suggerieren kann, dass das Bewusstsein eines Beobachters über das Verhalten des Beobachteten entscheidet. Demnach wären wir von einem Quantenfeld von Möglichkeiten umgeben, welches wir mit der richtigen gedanklichen Einstellung dazu bewegen können, unsere Wünsche zu manifestieren.

Aus dieser Sichtweise ergeben sich Sätze wie die Folgenden:

„Wenn du deine alten Glaubenssätze erkennst und auflöst, kannst du dir genau das Leben erschaffen, was du dir aus tiefstem Herzen wünschst!“

„Wenn du selbst glaubst, dass du nicht liebenswert bist, wie soll dich dann sonst jemand lieben?“

„Dein Erfolg hängt davon ab, was du zu dir selbst sagst. Wenn du erspüren kannst, wie er sich anfühlen würde, Erfolg zu haben, sendest du eine Schwingung aus, die ihn automatisch in dein Leben zieht.“

„Wenn dir jemand begegnet, der dich aufregt, stört, auf die Palme bringt, sind deine alten Muster dafür verantwortlich. Was in dir glaubst du noch, was dazu passt? Wie hast du ihn in dein Leben gezogen? Welche Lektion will dir das Leben hier geben?“


Oder hier noch einige Zitate, die gerne berühmten oder erfundenen Leuten zugeschrieben werden (ohne Belege und oft verfälscht), die entweder direkt auf das Gesetzt der Anziehung verweisen, oder auf das darunterliegende Prinzip:

Das, was jemand von sich selbst denkt, bestimmt sein Schicksal.
Mark Twain

Wenn Du es willst und erwartest, wird es bald Dir gehören.
Abraham Hicks

Egal ob du denkst, du kannst es, oder du kannst es nicht, du wirst recht behalten.
Henry Ford

Das Gesetz der Anziehung zieht dir alles an, was du brauchst, je nach der Art deines Gedankenlebens. Deine Umwelt und finanzielle Situation sind die perfekte Reflexion deines gewohnten Denkens. Der Gedanke regiert die Welt.
Joseph Murphy

Du ziehst nicht das an, was du willst. Du ziehst das an, wovon du glaubst, dass es wahr ist.
Neville Goddard

Dein Wort ist dein Zauberstab. Die Worte die Du sprichst, erschaffen dein eigenes Schicksal.
Florence Scovel Shinn

Du wirst das, woran du am meisten denkst.
John Assaraf

Wir sind, was wir denken. Alles, was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken formen wir die Welt.
Buddha

Der dominierende Gedanke oder die mentale Einstellung ist der Magnet, und das Gesetz lautet: Gleiches zieht Gleiches an. Deshalb wird die Denkweise unweigerlich solche Umstände anziehen, die ihrem Wesen entsprechen.
Charles Haanel

Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab.
Marcus Aurelius


Wenn ich diese Sätze an mich heranlasse, fühle ich immer eine Mischung aus Euphorie und Anspannung. Ich finde sie verführerisch und verstörend zugleich. Denn sie versprechen Macht durch Willensstärke bei gleichzeitiger Verantwortung für alles, was passiert. Auch für das, was mir nicht gefällt und worunter ich leide. Aber kann das wirklich stimmen? Gibt es nicht so etwas wie Schicksal? Wo hört diese Verantwortung dann auf? Und welche Macht habe ich wirklich? Was bedeutet es, wenn ich mich ohnmächtig fühle? Habe ich dann einfach noch nicht genug an mir gearbeitet?

Ich glaube, dass dem Gesetz der Anziehung reale innerpsychische Phänomene unterliegen, die allerdings noch um einiges differenzierter sind, als auf der Oberfläche deutlich wird. Gerade weil das so ist, ist es gar nicht so einfach, es von der Hand zu weisen oder sinnvolle Unterscheidungen zu treffen. Ich glaube durchaus, dass schon viele Menschen von Ansätzen profitiert haben, die in der ein oder anderen Form auf dem Gesetz der Anziehung basieren. Und ich glaube auch, dass Vertreter dieses Ansatzes zuweilen ein tieferes Verständnis haben, als in der Vermarktung vermittelt wird. Gleichzeitig nehme ich auch den Stress und die Verstörung ernst, die mit der Überhöhung der Rolle der Willensstärke und der Überfrachtung der persönlichen Verantwortung einhergehen können. In diesem Artikel will ich beleuchten, wie wir Spreu von Weizen trennen können.

Ohnmacht

Die Ausgangssituation, in der Menschen sich mit Ansätzen des Gesetzes der Anziehung beschäftigen wollen, hat in der Regel etwas mit Ohnmacht zu tun. Vielleicht habe ich mich zum 5. Mal in eine emotional unerreichbare Frau verliebt. Oder ich habe seit Jahren finanziell zu kämpfen und will endlich aufatmen können, wenn ich meinen Kontostand prüfe. Unter Umständen gehe ich einer Arbeit nach, die zwar das Konto belädt, aber das Herz aussaugt. Vielleicht habe ich auch einen Traum, der meiner Realität so fern ist, dass ich nur noch taub bin, wenn ich daran denke. Es könnte auch eine tödliche Krankheit sein, die mich bedroht. Die Erfahrung von Ohnmacht ist der gemeinsame Nenner.

Ohnmacht ist eine existentielle Erfahrung. Sie bedeutet, dass etwas essentiell wichtiges für unser Wohlbefinden außerhalb unseres Einflusses liegt oder zu liegen scheint. Manchmal ist gar nicht klar, was die realen Möglichkeiten wären, die ein allwissender Beobachter wahrnehmen könnte, denn innere und äußere Lebens-Situationen sind oft komplex und können schnell unübersichtlich werden. Vielleicht denke ich ja nur, dass ich nichts tun kann? Was, wenn ich nur noch nicht die richtigen Knöpfe gefunden habe? Schließlich gibt es doch genug Leute, die es auch geschafft haben… warum sollte ausgerechnet ich es nicht auch schaffen? Und prinzipiell lässt sich ja mit Viktor Frankl sagen: bis wir sterben, werden wir. Bis dahin wissen wir nicht, was alles noch möglich ist.

Magie, Mythos und Verstand

Um das Gesetz der Anziehung in Bezug auf die Erfahrung der Ohnmacht einzuordnen, möchte ich weiter ausholen. So lässt sich die Geschichte des menschlichen Fortschritts auch als Geschichte eines Kampfes des menschlichen Willens gegen die Ohnmacht verstehen, die sowohl das Überleben als auch ein erfülltes Leben bedrohen kann. Phänomene, die uns noch vor einem Jahrhundert wie eine unüberwindbare Herausforderung vorkamen, sind heute kein Problem mehr. Allein in den Bereichen Medizin, Mobilität und Kommunikation sieht die Welt radikal anders aus, wie man am Beispiel des Internets, des Flugverkehrs und drastisch gesunkener Kindersterblichkeit leicht erkennen kann. Ohne den Verstand wäre das nicht möglich. Dieses Werkzeug hat uns in vielerlei Hinsicht erlaubt, unsere existentielle Situation zu verbessern und essentielles möglich zu machen. Es gibt dafür auch noch viele andere Beispiele, aber ich möchte den Bereich der Psychotherapie nutzen, um näher zu erläutern, was der Verstand an Fortschritt erlaubt hat. Und wo seine Grenzen sind.

Bevor wir so etwas wie eine Neurosenlehre hatten, waren die besten Theorien zu dem, was wir heute psychische Erkrankungen nennen, magische und mythische Erklärungsmodelle. Menschen wurde zugeschrieben, dass sie Magie und Flüche einsetzen konnten, um den inneren Zustand anderer Menschen zu beeinflussen. Die Voodoo-Puppe ist immer ein beeindruckendes Beispiel, aber auch der „böse Blick“, mit dem Menschen aus ihrem Stamm verbannt wurden und schließlich an Isolation und Hoffnungslosigkeit sterben konnten. In der magischen Weltsicht lösen wir das Ohnmachtsproblem, indem wir Symbole von etwas Realem erschaffen (wie die Voodoo-Puppe, oder bestimmte Wörter und Sätze), die wir manipulieren können. Durch die magische Verknüpfung zwischen Symbol und Realität können wir die Realität beeinflussen.

Im Mythischen geschieht der Einfluss vermittelt über mächtige Wesen wie Götter, Dämonen, Geister und Engel um deren Unterstützung wir bitten können und die dann die Krankheit heilen, den Geldsegen bringen oder die Liebesbeziehung segnen. Oder aber sie wurden für Phänomene zur Verantwortung gezogen, für die sonst niemand eine Erklärung hatte. Auf diese Weise fielen unerklärliche seelische Zustände in den Zuständigkeitsbereich von Magie und Mythos. Vor diesem Hintergrund ist auch das Stigma dieser Zustände verständlich, das zum Glück immer seltener ist. Denn sie wurden als Zeichen dafür verstanden, dass höhere Wesen diesem Menschen nicht helfen bzw. schaden wollen. Und jeder, der in dessen Nähe käme, setzte sich dieser Gefahr ebenfalls aus.

Erst das Erkennen von Zusammenhängen und Benennen von seelischen Ursache-Wirkungs-Beziehungen durch Sigmund Freud und andere Zeitgenossen, machte deutlich, dass wir weder Magie noch Mythos brauchen, um diesem Leid etwas entgegen setzen zu können. Und um als Arzt im Bereich der Seele anerkannt zu werden, setzte Freud das medizinische Modell ein und erklärte seelisches Leid zu Krankheiten, die sich im klassischen Sinne heilen ließen. Wir entwickelten Möglichkeiten, auch hier den Verstand einzusetzen, um die Ohnmacht in Schach zu halten.

Das Interessante ist jedoch Folgendes: Auch wenn heutzutage viele Ansätze der Psychotherapie versuchen, seelische Probleme streng manualisiert, rational und mit Willenskraft zu lösen, funktioniert der Prozess, auf den Freud mit der Psychoanalyse hinwies, gar nicht auf eine linear-rationale Art und Weise. Freuds Entdeckung des Unbewussten bedeutet ja gerade, dass sich ganz viele Inhalte des Seelenlebens dem direkten Zugriff des Wachbewusstseins entziehen und deswegen nur auf indirekte Weise zugänglich sind, wenn sie der Zensur nicht zum Opfer fallen sollen. Daher ergibt sich die Wichtigkeit von Träumen, Freudschen Versprechern und freier Assoziation als Zugang zu Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen, die in der realen Umgebung des Menschen zu bedrohlich erscheinen, um bewusst verarbeitet werden zu können. Wir brauchen durchaus unseren Verstand, um in diesen Bereichen Ordnung und Orientierung zu gewinnen, aber wir brauchen auch noch mehr.

Intuition

Der Psychiater Iain McGilchrist schreibt in seinem Buch „The Master and his Emissary“ von den Funktionen der beiden Hirnhälften in uns Menschen. Demnach brauchen wir die linke Hemisphäre für lineare Prozesse wie Sprache, Denken und Planen, da wir ohne sie nicht handeln können. Die rechte Hemisphäre nimmt währenddessen das „Feld“ wahr, erkennt Muster im Unbekannten, erfühlt Zusammenhänge und verortet uns intuitiv. Es sind sehr verschiedene Arten, sich und die Welt wahrzunehmen, die jedoch beide etwas Unerlässliches beitragen.

Ich stelle mir den Unterschied gerne anhand von „Malen nach Zahlen“ vor: mit der linken Hirnhälfte verbinden wir die Zahlen so, dass ein Muster daraus wird. Mit der rechten Hirnhälfte erkennen wir das Muster. Unter Umständen gelingt das auch schon, bevor das Muster vollständig ist. Das, was wir mit der rechten Hirnhälfte wahrnehmen, wird für das bewusste Denken und Sprechen erst vermittel- und für Handlungen verwendbar, wenn es uns gelingt, eine Verbindung zur linken Hirnhälfte herzustellen. Darüber können wir ausdrücken, was wir von der rechten Hirnhälte aus wahrnehmen. Ohne diesen Ausdruck können wir uns anderen nicht mitteilen und haben es auch schwer, Wahrnehmungen zu ordnen. In meinem Verständnis besteht Psychotherapie hauptsächlich aus diesem Verknüpfungsvorgang, bei dem unbewusstes Erleben aus der rechten Hemisphäre so bewusst und formulierbar wird, dass es uns für unser Handeln zur Verfügung steht.

Eine schöne Illustration für den Übersetzungsvorgang von der rechten in die linke Hirnhälfte während der Psychotherapie.

McGilchrist hat die Hypothese, dass diese verschiedenen Modi in einer prähistorischen Umgebung erlaubten, mit der linken Hemisphäre gezielt für Nahrung und Schutz zu sorgen, während die rechte Hemisphäre wachsam für Bedrohungen aus der Umgebung sein kann. Das bedeutet, wir brauchen beide Hirnhälften für ein Gesamtbild, das uns bestmöglich orientiert und am Leben erhält.

Sowie der Titel seines Buches suggeriert, macht McGilchrist hierzu jedoch den Punkt, dass die rechte Hirnhälfte als Meister dabei führen sollte, während die linke als Gesandter folgt. Die Feldwahrnehmung der rechten Hemisphäre nimmt unbewusst wesentlich mehr Informationen auf, als der punktgenaue Fokus der linken Hemisphäre es je könnte. Außerdem ist sie offen für alles Neue und Unbekannte. Währenddessen ordnet die linke Hemissphäre Reize in Kategorien ein, die uns mitteilen, was wir mit diesen Reizen anfangen können: ist der Reiz nützlich, bedrohlich, oder egal? Ohne diese Zuordnung haben wir auf der Handlungsebene keine Orientierung. Aufgrund der Verengung auf Kategorien, kann die linke Hemissphäre jedoch nicht wissen, was sie nicht weiß und glaubt deswegen schnell, dass Willensstärke ausreichen müsste, um etwas zu erreichen. Je komplexer aber eine Situation ist, desto wichtiger ist es, die vielen Informationen des Feldes zu erfassen und sinnvoll für die eigenen Entscheidungen nutzen zu können. Wenn wir das ernst nehmen, bedeutet das, dass wir für komplexe Situationen eine nicht-rationale Führung brauchen, um Entscheidungen treffen zu können, die rational Sinn ergeben und uns und anderen Menschen dienen können. Eine Art, von dieser Führung zu sprechen, ist Intuition.

In einem Podcast erklärt Vivian Dittmar, dass Intution eine Wahrnehmung meint, die wir uns im gegenwärtigen Moment rational nicht erklären können, die sich jedoch oft genug als stimmig und nützlich herausstellt. Dabei hängt es jedoch durchaus davon ab, ob die Person Erfahrung in dem Gebiet hat, auf dem sie ihre Intuition einsetzt. Als Psychotherapeut mag ich intuitiv erspüren können, welche Welten sich hinter einer Aussage auftun können, aber beispielsweise in der Vorhersage von Börsenkursen wäre ich eine Niete. Die Feldwahrnehmung der rechten Hemisphäre hat also definitiv einen Realtitätsbezug, auch wenn wir nicht immer sagen können, woher der kommt. Und jeder, der lange Erfahrung auf einem bestimmten Gebiet gemacht hat, weiß, dass er irgendwann intuitiv spüren kann, was zu tun ist, ohne darüber nachzudenken.

Vor dem Verstand und nach dem Verstand

Wenn wir jedoch eine nicht-rationale Führung brauchen, stellt uns das vor eine wichtige Frage: Wie erkennen wir, ob dieses nicht-Rationale wirklich auf all das bezogen ist, was wir real wahrnehmen? Was, wenn wir uns dabei vertun? Magie und Mythos sind doch auch nicht-rationale Arten, die Welt zu verstehen und Ohnmacht zu bekämpfen, was ist denn damit? Es mag ja sein, dass es Menschen beruhigt hat, wenn sie z.B. ihrem Gott eine Jungfrau geopfert haben, aber muss das wirklich sein? Hilft es und ist der Preis akzeptabel?

Daraus ergibt sich für mich, dass nicht alles, was nicht-rational ist, gleich ist. Der amerikanische Philosoph Ken Wilber ordnet dieses Problem mit Hilfe einer Entwicklungssequenz, die auf die Forschung verschiedener Entwicklungspsychologen (u.a. Jean Piaget, Clare Graves, Robert Kegan, Jane Loevinger, Susanne Cook-Greuter) zurückgeht. Dazu spricht er von einem groben Modell mit drei Stufen, durch die sich sowohl die gesamte Menschheit als auch jedes Individuum entwickelt. Die Stufen nennt er prä-rational, rational und post- oder transrational.

Diesen Stufen lassen sich die verschiedenen Herangehensweisen an das Problem der Ohnmacht zuordnen, das ich oben angesprochen habe. Und vor diesem Hintergrund lässt sich erkennen, dass prärationale und transrationale Gedanken beide nicht rational sind und es von daher möglich ist, sie miteinander zu verwechseln. Prärationale Mythen können auf diese Weise wirken wie transrationale Weisheit und umgekehrt. Aber in ihrer Beziehung zum Rationalen besteht ein sehr wichtiger Unterschied, da transrationale Gedanken das Rationale berücksichtigen, auch wenn sie darüber hinausgehen. Prärationale Gedanken ignorieren, was wir mit dem Verstand erfassen können oder stehen direkt im Konflikt damit.

Ein gutes Beispiel dafür ist der Umgang mit Mythen, wie Joseph Campbell ihn demonstriert: prärational nehmen wir Mythen und mythologische Gestalten wörtlich und gehen von ihrer tatsächlichen Existenz und Wirkung aus. Transrational verstehen wir Mythen als Metaphern und Projektionen unbewusster Bewegungen der Seele, die uns etwas wichtiges über unser Inneres und das Leben vermitteln können. Genau dieses Unterscheidungsmerkmal möchte ich nun zum Maßstab nehmen, um im Thema Gesetz der Anziehung sinnvolle Unterscheidungen zu treffen.

Des Pudels Kern

Ich glaube, dass das, was die zu Beginn zitierten Sätze ausdrücken, in dieser Form nicht funktioniert. Ohne nähere Differenzierung entsteht der Eindruck eines magischen, also prärationalen, Zusammenhanges, bei dem ich die Welt über Manipulation meines Bewusstseinszustandes direkt beeinflussen kann. Demnach müsste sich die Welt allein über meine Gedanken und z.B. vermittelt durch das Quantenfeld nach meinen Sehnsüchten richten und mir Gefahren ersparen bzw. nur noch schöne Gelegenheiten bieten. Zumindest sofern ich in diesem Sinne genug an mir gearbeitet habe. Tut die Welt das nicht, muss das daran liegen, dass ich noch nicht genug getan habe. Unterm Strich suggeriert diese Sichtweise die Hoffnung auf totale Kontrolle über mein Leben, wenn ich nur diese „verdammten Bewusstseinszustände“ sauber im Griff hätte. Auf diese Weise kann ich die Wahrnehmung abwehren, dass es viele Kräfte auf der Welt gibt, die ich nicht in der Hand habe – allen voran mein eigenes Unbewusstes und den Willen eines anderen Menschen, der uns lieben und schaden kann.

Ich glaube, der wahre Kern der Ansätze, die mit dem Gesetz der Anziehung arbeiten, liegt in der Entdeckung unbewusster Verarbeitungs-Muster, die uns als Erwachsenem die Orientierung „verhageln“ und dafür sorgen können, dass wir immer wieder Entscheidungen treffen, die sich „total gut“ anfühlen können, aber nicht zum gewünschten Ergebnis führen. Dieses „sich total gut anfühlen“ kann auch darin besteht, alles beim Alten zu lassen, um ja nicht die Stabilität in uns selbst und in unserem Leben in Frage zu stellen. Typischerweise führt das zu Situationen, in denen wir Ohnmacht erleben, weil immer wieder das gleiche passiert und wir „auf Teufel komm raus“ nicht verstehen, wie das sein kann.

Glaubenssätze

Zum Verständnis dieser unbewussten Verarbeitungs-Muster, müssen wir die Situation als Kind berücksichtigen, von der ich in den Artikeln zu den Themen Lust, Spannung und Depression und Vermittlung schon geschrieben habe. In dieser Situation entwickeln sich Teile unseres Nervensystems, die ohne innere Arbeit noch im Erwachsenenalter so funktionieren wie damals. Als Kind sind wir zum Überleben darauf angewiesen, dass die Beziehung zur Mutter bzw. den primären Fürsorgern erhalten bleibt und stehen unter unfassbarem Druck, dafür alles zu tun. Droht das zu scheitern, sind wir mit Panik und Todesangst konfrontiert, die für ein Kind nicht über ein bestimmtes Maß erträglich ist. Um also einigermaßen stabil aufwachsen zu können, drängen wir als Kind alle Anlässe für diese Panik aus dem Bewusstsein und verzerren damit unsere Wahrnehmung. Daraus ergeben sich so etwas wie „Programme“ und Strukturen dafür, wie wir uns selbst und die Realität wahrnehmen. Und ein Ausdruck davon sind Glaubenssätze über uns selbst und andere, die in der Regel eine allgemeine und absolute Qualität haben. Beispiele dafür sind:

„Ich bin zu blöd, dumm, hässlich, nicht gut genug.“
„Als Frau sollte ich immer nett und still sein.“
„Alle Männer wollen Sex. Immer.“
„Wer Geld hat, hat keine Seele.“
„Wer mich will, muss selbst so gestört sein, dass ich ihn nicht will.“
„Wenn jemand nicht erreichbar ist, hab ich nur noch nicht genug getan.“

Diese Überzeugungen stellen in der Regel die Art da, wie wir als Kind unerträgliche Erfahrungen aus dem Bewusstsein gedrängt haben. So lange ich z.B. glaube, dass ich dumm bin, traue ich meiner Wahrnehmung nicht und lasse nicht zu, zu merken, wie weh meine Eltern mir tun. Wenn ich mich für hässlich halte, kann ich evtl. die Wahrnehmung ungewollter Aufmerksamkeit abwehren. Wenn ich glaube, dass Geld und Seele sich ausschließen, kann ich Armut leichter aushalten. Jemanden für gestört zu halten, der mich will, schützt mich vor der Erfahrung, überflutet und vereinnahmt zu werden. Wenn uns diese Glaubenssätze nicht bewusst sind, nehmen wir uns selbst und die Umwelt auf eine Weise wahr, die viel mehr mit der damaligen Situation zu tun hat, als mit der heutigen. Das bedeutet, dass wir bei unseren Entscheidungen nicht wirklich berücksichtigen können, was hier und heute da ist. Und auf diese Weise können wir sowohl Gefahren als auch Gelegenheiten übersehen, die uns auffallen würden, wenn wir bewusster wären.

Bewusstsein für die frühen Umstände zu erlangen ist aber leichter gesagt als getan, weil die Not und der Schmerz von damals auch wieder auftauchen, wenn wir uns erlauben, unsere Glaubenssätze in Frage zu stellen. Ich nehme dafür gerne folgendes Bild: da unser Herz so weh getan hat, dass es unerträglich wurde, haben wir es auf Eis gelegt. Das hat den Schmerz betäubt und die innere Lage so stabilisiert, dass Überleben möglich war. Da unser Herz jedoch auch unser Kompass ist, der uns in wichtigen Lebensentscheidungen Orientierung gibt, steht dieser Kompass uns heute nur auch insofern zur Verfügung, wie er nicht mehr auf Eis liegt. Dem Bild folgend wäre also der nächste Schritt, das Herz aufzutauen, damit es einem wieder Orientierung geben kann. Und wer schon mal gefühlt hat, wie sich auftauende Finger anfühlen, wenn sie gefroren waren, weiß, wie unangenehm das sein kann.

Verwirrung ist der Preis der Abwehr

Als Beispiel möchte ich den Fall nehmen, in dem sich ein Klient tatsächich zum 5. Mal in seinem Leben in eine Frau verliebte, die emotional nicht für ihn erreichbar war. In diesem Fall war es zwischen ihm und ihr nach einer kurzen Beziehung einige Male hin und her gegangen und er hatte gehofft, es würde etwas Festes werden, mit Zusammenleben und Gründen einer Familie. Sie entzog sich jedoch wiederholt. Er war generell sehr achtsam mit ihr, nahm ernst was sie wollte, teilte sich mit, so offen wie er konnte und dennoch kam keine entspannt fließende Verbindung zustande.

Er hatte die Erfahrung schon einige Male gemacht und war es Leid. Er beschrieb es so, dass die Frau sich bisher bei jedem Mal so angefühlt habe, als sei es unfassbar wichtig, sie zu gewinnen, aber schwer greifbar, wieso eigentlich. Dass er das nicht sagen konnte, fiel umso mehr auf, da er sich sonst sehr gut artikulieren konnte. Bei Betrachtung der frühen Kindheitssituation wurde über viele Sitzungen hinweg ersichtlich, dass er seine Mutter nicht hatte erreichen können, wenn es um bestimmte Gefühle wie Trauer, Wut oder Ohnmacht ging. Sie ging dann aus dem Kontakt und er konnte nichts dagegen tun. Jegliches Flehen oder Protest dagegen hatten nicht geholfen. Manchmal war es besonders schwierig, weil sie sich gar nicht körperlich sondern seelisch entzog, auch wenn sie noch da war. Damit blieb ein Teil von ihm ohne Spiegel und da er sich immer wieder unsicher fühlte, ob er auf einer tiefen seelischen Ebene für andere eigentlich wirklich wahrnehmbar sei, zweifelte er in gewisser Weise daran, dass es ihn als fühlendes inneres Wesen gäbe.

So blieb er mit einer tiefen Sehnsucht und einer Ohnmacht zurück, die er mit unermüdlichen Versuchen, doch darum zu kämpfen, betäubte. Er sagte sich, er hätte nicht genug von sich gezeigt, nur noch nicht verstanden, wie Beziehung ginge und müsste sich nur mehr Mühe geben und die inneren Konflikte der Frau verstehen, um sie für sie zu lösen und die Frau zu gewinnen. Auf eine Weise glaubte er der Überzeugung, so wie er sei, sei er nicht genug, um gesehen und geliebt zu werden. Dieser Glaubenssatz hatte die Funktion, die Ohnmacht nicht aushalten zu müssen, dass die Abkehr seiner Mutter tatsächlich nichts mit ihm zu tun hatte und in keiner Weise in seiner Hand lag. Diese Ohnmacht zu sehen hätte als Kind Verzweiflung ohne Hoffnung auf Veränderung bedeutet.

Von außen betrachtet, hatte ich schon länger den Eindruck, dass die Beziehung zu der Frau nicht passte, aber der Klient sah das nicht ein. Er versuchte auch aus dem kleinsten Funken ein Feuer zu machen und wurde zornig, wenn ihm das jemand ausreden wollte. Die Aufdeckung seiner Überzeugung über seine Unzulänglichkeit bedeutete, dass er mit der tatsächlichen Ohnmacht konfrontiert war, die er als kleiner Junge erlebt hatte. Das erschien ihm lange wie blanker Horror, den er um jeden Preis vermeiden wollte. Es dauerte entsprechend, bis er sich endlich stark genug dafür fühlte, bei einem wiederholtem Rückschlag wahrzunehmen, dass er nichts tun konnte.

Mit der Erfahrung schließlich, dass er den Horror aushalten und die Liebe fühlen konnte, die trotz der fehlenden Erwiderung unzweifelhaft in ihm war, war es ihm möglich zu erkennen, dass der Preis für die vermeintliche Kontrolle, die sein Glaubenssatz ihm versprach, im Verlust seiner Orientierung bestand. Das war der Grund, warum er nicht erkennen konnte, wann eine Frau so viel Angst vor ihren inneren Konflikten hatte, dass sie wahrscheinlich nicht bereit wäre, sich so auf ihn einzulassen, wie er sich das wünschte. Um das wahrnehmen zu können, musste er seine eigene Nervosität ernst nehmen, die er bisher immer mit hoffnungsvollem Ausblick betäubt hatte. Durch diesen Ausblick verliebte er sich in Frauen, die initial so wirkten, als wären sie zur selben Öffnung bereit wie er, nur um dann immer wieder deutliche Signale zu setzen, dass sie überfordert waren und sich zurückziehen wollten. Für ihn sahen diese Signale so aus, als könne er hier noch etwas erwirken – so wie er das als kleiner Junge geglaubt hatte, um nicht vollends zu verzweifeln. Das Bewusstsein für diese Brille ermöglichte es ihm endlich, sie abzunehmen, zu betrachten und sein Gegenüber mit klareren Maßstäben dafür wahrzunehmen, warauf er sich einlassen wollte und worauf nicht.

Das Kind und das Bad

Vor dem Hintergrund dieser Fall-Vignette wird vielleicht deutlich, inwiefern der Satz im Titel „Das ziehe ich mir in mein Leben“ stimmt bzw. nicht stimmt. Aus einer transrationalen Perspektive geht es hier nicht um einen magischen Anziehungsvorgang mit Hilfe eines übersinnlichen Quantenfeldes, sondern um eine Klärung und Neu-Ordnung der Wahrnehmung. Diese ist nicht rein rational, lässt sich jedoch bei genügend Aufdeckung beschreiben, ohne gegen Prinzipien des Verstandes zu verstoßen. Da es jedoch um komplexe Phänomene geht, brauchen wir hierfür die Feldwahrnehmung der rechten Hirnhälfte, die sich bei entsprechendem Bewusstsein und Erfahrung als Intuition zeigt. Sie erlaubt uns, Gefahren und Gelegenheiten im Leben anders aufzunehmen, zu ordnen und zu gewichten als gewohnt. Werden wir klarer darin, welche Maßstäbe wir für unser Leben anlegen und können diese von den unbewussten Maßstäben unserer Glaubenssätze unterscheiden, können wir den Fokus unserer Aufmerksamkeit anders ausrichten. Und diese neue Orientierung führt dann dazu, dass wir uns ein anderes Leben „erschaffen“ können.

Für den Klienten bedeutete das zunächst, dass er Sicherheit und Zuversicht darin gewann, wissen zu können, ob das, was er in seinem Leben erreichen möchte, wirklich für ihn stimmt oder nicht. Wenn die Aufdeckung dazu führt, dass er unabhängig vom Gegenüber die Echtheit seiner Liebe fühlen kann, während sich die Einschätzung der Situation klärt, nimmt die Desorientierung ab. Mit dieser Sicherheit kann er mehr ausprobieren und genau prüfen, ob eine Frau wirklich bereit und in der Lage ist, sich selbst zu halten, wenn sie Angst hat. Er kann steuern, ob und wann er sich so auf sie einlässt, bevor er wieder die gleiche Erfahrung macht. Vielleicht fällt ihm aber auch eine Frau auf, die er zuvor übersehen hatte, weil er die Fähigkeit zur Öffnung in ihr unterschätzt hatte. Unter Umständen merkt er aber auch, dass er sich und seiner Liebe zunächst ein sicheres Zuhause in seinem Bewusstsein schaffen möchte, bevor er sich wieder in einer Beziehung versucht.

All dies sind Beschreibungen, die über den Verstand hinausgehen, aber nicht im Konflikt mit ihm sind. Bei dieser Art von Ermächtigung kann ich keinen Anspruch auf totale Kontrolle erkennen, erlebe also auch keinen Druck, etwas in der Hand haben zu müssen, was ich nicht in der Hand haben kann. Damit bin ich von ganzem Herzen einverstanden. Ohne diese Differenzierung jedoch fürchte ich, dass die Ansätze des Gesetzes der Anziehung unterm Strich mehr Schaden als Nutzen anrichten und die Illusion von magischer Kontrolle letztendlich zu noch mehr Ohnmacht, Enttäuschung und Selbsthass führt.

Mediation

She: „Honey, have you taken out the trash yet?”

He: “No, but I’ll do it later, stop being so pushy!”

She: “How am I pushy?! I just don’t enjoy a stinking kitchen and I don’t see, why it’s me again having to take care of that!”

He: “What do you mean by ‘again’? Don’t you see what I’m carrying for us all the time? I hate you bitching about things all the time!”

She: “Then look for another idiot who’s willing to take care of a beautiful home next to all the other things that I take care of. I don’t need this.”

He: “So typical, you don’t get me at all! I bust my ass around this place and that’s what I get for it?!”

She: “You’re free to leave, if you don’t like it! In any case, you’ll sleep on the couch tonight.”


Hmmm, that escalated quickly. It is reasonable to think that the two of them did not have that fight for the first time and there seems to be quite some background. But what did actually happen here? And what might be a healthy way of dealing with it?

In pondering the question, what a healthy relationship is built upon, the term “triangulation” has become important to me. It describes a skill and a developmental challenge, that every human being is existentially confronted with at some point or another. Without some kind of mastering this skill, I deem fulfilling relationships impossible. Not to be able to triangulate means to be imprisoned between submission and demand and to have a very limited tolerance for differences. In many cases, it means to prefer staying alone to risking to lose oneself in a relationship. It can also mean to feel lonely within a relationship, because acknowledging the existence of someone, who is truly different, can be so threatening that we either stop perceiving ourselves or the other person fully or accurately. Without triangulation, growing beyond egocentricity is blocked and real closeness without giving up one’s identity and differences is impossible.

There is a lot of literature about this term within the field of psychoanalysis, but unfortunately for the most part, I find it difficult to understand and digest. Most of the time a satisfying reference to everyday observations and feelings is missing. The origin of the term “triangulation” goes back to Sigmund Freud’s ideas of the Oedipus-complex and later, among others, to Hans W. Loewald, Margaret Mahler and Ernst Abelin’s Organizer- and Triangulation model, which also describes developmental stages before the oedipal stage. At this point I do not want to go into the details of these models, but elaborate on what I myself see in the term. But I make reference to what is called “the early triangulation”, not the oedipal one. I also want to differentiate the term from the dysfunctional triangulation within the framework of systemic family-therapy. I thereby hope to enlighten a phenomenon that is both complex and often unconscious, despite its everyday occurrence.

Triangulation

Following the roots of the term, triangulation points to a triad, which is formed by a “third party” joining a dyad, i.e. a relationship of two. This third party is necessary to create a mediating balance between two different poles. Without this mediation, the differences in a relationship can be grounds for a power struggle, which leaves only space for one position: mine or yours. And even if I “win”, the result will not be entirely satisfying, because the relationship will suffer: the “we” loses. And the part in me that wants belonging, connection and closeness, loses as well. But how do I take care of the “we” without neglecting the “me”?

I assume it is safe to say that this question is overwhelming for many people. Not primarily, because it can already be mentally complex, but because the feelings going along with this question can be overwhelming and scare us to death. And the more important the relationship is, the more intense those feelings can become. If you have ever been in a situation that I have outlined above, you know the intensity behind what has been said. To think clearly while anger, hurt and fear are raging within you, is impossible. The nervous system is hijacked and on a rollercoaster ride without seatbelts. Instead of calm discourse or constructive interchange, only fight, flight or freeze are possible. When our focus is limited to the current situation, we might wonder, how this is possible: “Didn’t they just talk about the trash?” And yes, without understanding relevant experiences from the early stages of life (the consequences of which reach far into adulthood), it is impossible to realize, how situations like this can be so intense.

Close to the abyss

Since a relative stability is essential for learning and growth as a child, a substantial amount of uncovering (e.g. in psychotherapeutic settings) is necessary to realize, how precarious the childhood of a human being actually is – especially from the child’s point of view. We are maximally dependent on our parents and caregivers in seeing us and taking care of us, because nobody else would do it. And even in our relatively stable social situation, where child protective services might step in, in case of violence or neglect and make sure, we are adopted by the best foster parents of the world – how would a child know about that? When the imagination stops regarding where we sleep tonight, whether we get something to eat or have a warm place, where we are treated with care, we hit a limit very quickly. And it is even quicker in the earliest stages of life, when we have not yet developed the capacity for imagination. I believe we rarely develop an idea of death, but in most cases, there is something like a “fog of dread”, where images grow fuzzy and vague. And when we get too close to this fog for too long, we feel panic.

Since we are dependent on our primary relationship (most often to the mother) for security, emotional safety and stability, this panic can also come up, whenever we want something else than the mother. This difference can pose a threat to the relationship. Depending on the age we are speaking of, the possibilities of the child are varying of course. But let us assume we are talking about an 18-months old girl wanting to self-determine what to eat and how much. If the mother is either incapable or unwilling to meet the girl in her preferences, the situation can become quite dangerous to the girl: either she affirms what she wants and risks the relationship, or she gives up her will in order to calm the relationship and soothe her nervous system. As long as this is a power struggle between mother and child, the latter choice is more likely. After all, we can survive without expressing ourselves, but without a basis for survival, we have no chance for enjoying our self-expression. The price for this is, that we need to deny, forget and repress parts or ourselves so that we do not experience this self-relinquishment as unbearable. If we do not manage to do so, fight or flight impulses become so forceful, that we are not able to resist them. If you can imagine what a 3-year old must feel, who wants to flee out into the world, unable to hold all the pain and anger, you might be able to understand, how threatening these feelings can be.

However, in order to develop a healthy sense of ourserlves, we need a situation, in which we do not have to decide between self-expression and maintaining the relationship. And this situation only comes about by way of triangulation. Traditionally the “third element” is the father. And for purposes of illustration, I will talk about the father and his ideal effect on the situation. On a meta level, triangulation points to a mediating element in general that can bridge any kind of differences. Further below I will talk about what kind of other forms this mediating element can take, which can have a similar effect.

The ideal situation

Assuming mother and child can have different ideas and feelings about what and how much to eat, there can be a power struggle between them. In case the father joins them and he has a loving bond towards mother and child, he can mediate. Possibly he sees something else in the behavior of the little girl, e.g. the human need to choose for herself and feel the effect, that she can have on others. When he empathizes with that, he can name it and stand in for her. Doing that he becomes her “attorney”: he protects her and stands by her side. In this moment, the little girl can start to relax, because the threat from the mother is decreasing.

However, the relationship is only safe again, when the father is not only the girl’s attorney, but also a mediator. And he only can be that, when he is able to understand the needs of the mother’s as well, e.g. her worry about “doing it right”, her exhaustion and her needs for empathy and rest. The father’s presence and consciousness can create a space, in which mediation is possible. The little girl can experience her feelings and needs consciously, as well as the mother, without increasing the tension. At this point the question is not anymore, how much to eat, but what the underlying feelings and needs are: the exhaustion and discouragement of the mother, who needs space for herself and her inner life – and the understandable need of the girl to determine for herself, what she wants to eat. Given this space, a third way can emerge that works both for mother and child and serves their relationship. How exactly this might look like is not as important anymore, because the connection is re-established on the heart level. Maybe the girl is satisfied, maybe there are other ideas what she could eat, maybe the mother needs half an hour for herself and the father takes over.

I am aware of the fact, that I am describing an ideal situation, which many people would have wished for, but actually might have experienced rarely. In doing this, I want to create a conscious metric for how it might work – on the basis of which we might better understand, what was missing in many cases and why it was not possible under these circumstances. And what would be required today, if we want to grow beyond the power struggle.

Different paths with the same intention

As I have said before, the father is an ideal example. This constellation derives its power from the fact, that the child’s bond to the mother is usually the strongest and the need, to be able to balance autonomy with connection is nowhere greater but here. In a less potent version, the roles can be reversed: the conflict can be between father and child, while the mother mediates. Every other close adult with the respective consciousness can have the mediating role. The mediating element can also consist in the mother’s awareness of her legitimate needs and boundaries, while also sensing what the child needs. In that case, the mediation happens within her awareness and she creates a space, in which she first empathizes with herself and then opens up to understand the child better.

In other cases, external situations or states within the body can have a mediating effect. As a child, most people experienced extra care when they were sick. If the illness is not severe, there can even be a yearning for being sick, because it sent a powerful signal to the mother: “My needs are important.” That is how the so-called “secondary gain” for sickness comes about, which at its core can be the relief, that our needs have a place within the relationship, without us having to give up on the relationship. Another way, children can try to effect the early triangulation, is by way of one’s sex and sexuality – a topic about which I want to write in a future article.

I am sure that there are even more ways for little children to try to escape the distress and impossibility of this power struggle, but in essence I want to point out the quality of connection in mediation and why it is important. Seeing how few people will have experienced such an ideal situation, the question might emerge, how this piece of wisdom could be useful. Obviously, we have no way of changing the past. But we can start to examine it in such a way, that we can have more complete images and more comprehensive understanding of where we stand internally and what we have to feel and understand, before we are able to triangulate successfully.

Mediating internally

One way to describe the “goal” of psychotherapy is “to become the mother and father to ourselves, that we did not have.” This addresses the fact, that consciousness in itself can be the mediating element necessary for triangulation. When I uncover, feel and become able to name what is happening within me, I take a witnessing position towards myself. From this position, I can mediate – either between me and an important person in the external world, or between different positions within myself, like e.g. when I want to be autonomous while also wanting to be close to someone. Without this awareness, I might experience my needs as internal pressure, that I have to submit to as quickly as possible, if I do not wish to experience unfathomable tension. And when doing so leads to a conflict with a significant other… well, a night on the couch can follow. Or a couple of nights.

To raise consciousness on feelings and needs there are a couple of approaches that I find helpful. Next to classical psychotherapy I appreciate Nonviolent Communication by Marshall Rosenberg the most. However, the most difficult aspect in developing triangulation is not on the level of mental understanding, but is rooted deeper, emotionally and physically in the body. As I have said above, the overwhelm usually consists in not being able to contain the intensity of feelings that might arise in conflict with close people. Among them I count disappointment, anger, hurt and fear. Sometimes it is even the “beautiful” feelings that can trigger a panic, because they remind us of our vulnerability and the possible pain associated with them.

Being able to consciously hold those feelings requires long time inner work and internal examination in most cases. For without it, those feelings might come up as pure panic, feelings of dissolution, deep despair, fear of death and other, much more mysterious symptoms, which can sometimes be so extremely remote to one’s consciousness, that they only arise physically in the body. Migraine and stomach-ache are among the usual suspects. And the less awareness we have of our personal history and the present-day connections to it, the more mysterious and scary those states of consciousness can be to us, leading us to do all sorts of things to avoid them. Among them can be addictions, self-images and beliefs, on to which we hold fiercely, despite clear facts indicating something else. But also attempts to keep a beloved person at a distance or put pressure on him or her to keep unconscious deals and submit to our wishes, can be attempts to avoid those kinds of feelings.

However understandable those defenses are, avoiding these states consistently might get in the way of taking them into account adequately in current conflict situations. Sometimes people need to have dire crises, before they are ready to deal with feelings that they avoided and defended against all there life. Before people are willing to face it, external circumstances sometimes have to become so unbearable, that the internal pain becomes more acceptable by comparison. Since this can in turn become overwhelming, these processes may take a long time. Thereby, step for step, layer for layer, the feelings associated with the early drama of the power struggle, rebellion and submission can come into awareness.

When this path has been walked upon for a good deal, the adult consciousness can recognize, touch and hold the early distress, just like the ideal parent would have done it in the past. We can then become our own attorney and mediator. This enables us to feel real and deep compassion for the child that we once were and whose feelings and experiences influence who we are to this day. And with this kind of compassion I can mediate – be it between different parts of myself or between me and a beloved person, with whom I have differences. Apart from this, I gain the inner freedom to maintain boundaries within a relationship and create distance at times, when I need space for internal mediation. Should I come to the conclusion, that my counterpart does not meet the requirements that I have for a relationship, I can decide to end it – and thanks to the internal mediation I can hold and process the feelings triggered by this loss, that would have been unbearable as a child.

An alternative

Against the background of what I have discussed so far, I would like to pick up the dialogue from the beginning. But this time with the difference, that the man is able to start with triangulating between parts within himself and his partner, before she joins him. By that I want to demonstrate what kind of space is possible thanks to triangulation, in which conflict, differences but also connection have a place to be.


She: „Honey, have you taken out the trash yet?”

He: “No, but I’ll do it later, stop being so pushy!”

She: “How am I pushy?! I just don’t enjoy a stinking kitchen and I don’t see, why it’s me again having to take care of that!”

He: “Hang on… let’s slow this down and check… something’s going out of hand here…”

Despite being tense and angry, she stays still and allows him to take space and feel. He closes his eyes and notices, how tense he is. He realizes his fear, he might not be able to meet his professional goals in time and lose money that he would have wanted available for him and his partner. On a deeper level, he can feel the despair, which he already felt as a little boy, when he did not have words for how he was feeling. And how he would have wished for his mother to sense it and understand him. That had not been the case in many instances and his father had not been there as well to take care of the understanding. It had taken him a long time to be able to cope with the deep pain and powerlessness, instead of telling himself that he did not need this or would be able to effect it himself at some point in the future. On one level, he so would have loved to be understood by his partner right now. He breathes into the pain of not being able to change that and gives it space. After a couple of breaths he can switch and see her own internal pressure, although he does not yet know, where it is coming from. He takes a deep breath before opening his eyes and saying: “You know, honey, I notice that there seems to be a lot of pressure you’re under. Would you like to tell me, what’s going on for you?”

His calm and friendly tone touches her and calms her down to a considerable degree already. She says: “Darling, yes… that’s right. Sorry that I snapped at you. I have heard now for a couple of times that you wanted to do stuff later and then they weren’t done. This totally stresses me out, because I then begin to doubt, that you really hear me and take me seriously.”

He takes that in and is relieved to be able to sense her heart in her message. Because he knows her well, he can hear on a deeper level how this seems to touch a childhood issue of hers. Her needs had often been in question when they were different than what her mother wanted or deemed important. Because they had talked about that many a time, he answers: “That hits you at that old spot, doesn’t it?”

She: “Yes… thank you for seeing that right now.” She sighs and tears are welling up. She’s touched that he sees her. At the same time, she can feel, how deep this pain is and how hard it is sometimes to bear this pain consciously. Let alone to hold it and have compassion with it. Instead she often feels the impulse, to put herself under pressure and to angrily pass on the pressure to someone outside. Sometimes the pressure can lead her to dissociate and collapse, feeling nothing, just like how it was when she was little and unable to do anything without her mother’s help. She feels the distress like an incredibly heavy load on her chest, that almost takes her breath away. She remembers, how lonely she used to be as a little girl, when she did not get the attention and understanding by her mother that she needed, while her father was also missing and unable to mediate. She too sometimes wishes her partner could understand her, without her having to say anything – after all, would not that be enough, to not having to experience this despair at all? At the same time, she is aware enough to understand the price he would have to pay, if he tried to prevent that. He would have to pay way more attention to her than to him – and that would hurt the relationship and eventually her as well. After a lot of attempts in the past, she knows, that this is a price, she does not want to pay.

To him she says: “You know, I know you can’t relieve me from having to tell you, when I’m scared that I’m not taken seriously. Although I really wish you would do that, sometimes. And I can see that you are under pressure and household chores are not your top priority right now…” She stops herself, breathes deeply and says: “I notice now, I can start to relax again… the intense stress is gone. I can see my doubt and my despair from the past. And I also notice that you are taking me seriously.”

He feels relief, is touched and invites her to a deep, tender embrace. After her accepting it, he says gently into her ear: “What do think of me taking out the trash? And after that we could cuddle on the couch together.”

She: “I would like that very much… I’ll prepare the snacks then.”

Vermittlung

Audio-Version des Artikels, gelesen vom Autor

Sie: „Schatz, hast du den Müll schon rausgebracht?“

Er: „Nee, aber mache ich später, jetzt stress mich doch nicht so!“

Sie: „Mach ich doch gar nicht! Ich hab halt keinen Bock auf ’ne stinkende Küche und sehe nicht ein, dass ich schon wieder dafür sorgen soll!“

Er: „Was heißt denn ’schon wieder‘? Weißt du eigentlich, was ich hier die ganze Zeit stemme? Ich hab keinen Bock auf deine Meckerei!“

Sie: „Dann such dir halt ’ne andere Idiotin, die neben allem anderen noch unser Zuhause für uns schön macht. Sowas brauche ich nicht.“

Er: „Du verstehst mich mal wieder überhaupt nicht! Ich reiß mir für uns den Arsch auf und das ist der Dank?!?“

Sie: „Geh doch, wenn’s dir nicht passt. Du schläfst heute jedenfalls auf der Couch!“


Hmmm… das ist jetzt aber schnell eskaliert. Wahrscheinlich hatten die beiden diesen Streit nicht zum ersten Mal, es scheint dafür einiges an Hintergrund zu geben. Aber was genau ist hier passiert? Und was wäre ein gesunder Umgang damit?

Bei der Beschäftigung mit der Frage, was eine gesunde Beziehung ausmacht, ist mir der Begriff der „Triangulierung“ bedeutsam geworden. Er beschreibt eine Fähigkeit und Entwicklungsaufgabe, mit der jeder Mensch konfrontiert ist und ohne die ich ein erfülltes Beziehungsleben nicht für möglich halte. Nicht triangulieren zu können bedeutet, zwischen Anpassung und Forderung gefangen zu sein und nur sehr begrenzt in der Lage zu sein, Unterschiede auszuhalten. In vielen Fällen bedeutet es auch, lieber alleine zu bleiben, als Selbstverlust in einer Beziehung zu riskieren. Genauso kann es bedeuten, auch in einer Beziehung einsam zu sein, weil die Existenz von jemandem, der anders ist, schon so bedrohlich ist, dass wir entweder uns selbst oder den anderen in seiner Eigenart gar nicht richtig wahrnehmen wollen oder können. Ohne Triangulierung ist der seelische Entwicklungsweg über die Egozentrik hinaus versperrt. Echte Nähe ohne Aufgabe von Identität und Unterschiedlichkeit ist ohne Triangulierung nicht möglich.

Es gibt zu diesem Begriff einiges an Fachliteratur aus der Psychoanalyse, die ich bedauerlicherweise jedoch zu großen Teilen nur schwer verständlich und verdaulich finde. Der Bezug zu alltäglichen Beobachtungen und Gefühlen fehlt an vielen Stellen. Seinem Ursprung nach geht der Triangulierungsbegriff zunächst auf Sigmund Freuds Konzeption des Ödipuskomplexes und später unter anderem auf Hans W. Loewald, Margaret Mahler und Ernst Abelins Organisator- und Triangulierungsmodell zurück, welches auch Entwicklungsphasen beschreibt, die vor der ödipalen Phase liegen. Ich möchte an dieser Stelle zwar nicht diese Modelle erläutern, sondern erörtern, was ich selbst darunter verstehe, beziehe mich im Weiteren aber vor allem auf die „frühe Triangulierung“ und nicht die ödipale. Auch möchte ich den Begriff von der dysfunktionalen Triangulation abgrenzen, von der im Rahmen der systemischen Familientherapie die Rede ist. Ich hoffe damit einen Einblick in ein Phänomen zu ermöglichen, das trotz seiner Alltäglichkeit komplex und häufig völlig unbewusst ist.

Triangulierung

Dem Begriff nach geht es bei der Triangulierung um ein Dreieck, bei dem zu einer Zweier-Beziehung etwas oder jemand Drittes hinzukommt. Dieses Dritte ist notwendig, um ein vermittelndes Gleichgewicht zwischen zwei unterschiedlichen Polen herzustellen. Ohne diese Vermittlung führt die Unterschiedlichkeit in einer Beziehung zu einem Machtkampf, in dem nur Platz für einen Weg ist: meinen oder deinen. Das Ergebnis kann, selbst wenn ich „gewinne“, immer nur zum Teil befriedigend sein, weil es auf Kosten der Beziehung geht: das „Wir“ verliert. Und der Teil in mir, der Zugehörigkeit, Verbundenheit und Nähe möchte, auch. Wie aber setze ich mich für das „wir“ ein, ohne das „ich“ zu vernachlässigen?

Diese Frage stellt für viele Menschen eine Überforderung dar. Nicht primär, weil sie an sich schon mental komplex sein kann, sondern weil die Gefühle, die mit dieser Frage einhergehen können, überwältigend und zu Tode beängstigend sein können. Und je wichtiger eine Beziehung ist, desto intensiver die Gefühle. Wer sich schon in einer Situation wie oben skizziert befunden hat, der kennt diese Intensität, die hinter den Äußerungen liegen dürfte. Klar zu denken, während Wut, Verletzung und Angst in einem toben, ist unmöglich. Das Nervensystem ist auf 180, absolute Achterbahn, ohne Anschnallgurte. Statt ruhigem Diskurs oder konstruktiver Auseinandersetzung sind nur noch Kampf, Flucht oder Einfrieren möglich. Wer nur die aktuelle Situation betrachtet, mag sich wundern, wie das sein kann. „Ging es nicht gerade noch nur um den Müll?“ Und ohne Verständnis für die Erlebnisse in den frühen Entwicklungsstadien eines Menschen, deren Folgen weit bis in’s Erwachsenenleben Auswirkungen haben, lässt sich auch nicht nachvollziehen, warum das so heftig sein kann.

Nahe am Abgrund

Da eine Voraussetzung für Lernen und Wachstum eine relative Stabilität ist, bedarf es oft einiges an Aufdeckung von abgewehrten Erinnerungen, um sich bewusst zu machen, wie prekär die Kindheit eines Menschen eigentlich ist – vor allem aus der Perspektive des Kindes. Wir sind maximal darauf angewiesen, dass wir von unseren Eltern und Fürsorgern gesehen und versorgt werden, weil es sonst niemand machen würde. Und selbst wenn uns im Fall von Gewalt oder Vernachlässigung in unserer relativ stabilen gesellschaftlichen Situation das Jugendamt retten und an die besten Adoptiveltern der Welt vermitteln würde – woher soll ein Kind das wissen? Hört also das Vorstellungsvermögen dafür auf, wo wir heute Abend schlafen, ob wir noch etwas zu Essen bekommen, es warm haben oder liebevoll behandelt werden, landen wir sehr schnell an einer Grenze. Und in der frühen Zeit, in der wir nicht einmal ein Vorstellungsvermögen haben, ist diese Grenze um so schneller erreicht. Ich glaube, dass wir selten eine genaue Vorstellung vom Tod entwickeln, sondern in den meisten Fällen so etwas wie einen „Nebel des Grauens“ wahrnehmen, an dem die Vorstellung verschwimmt und unscharf wird. Aber kommen wir diesem Nebel zu lange zu nah, empfinden wir Panik.

Da wir also für unsere Sicherheit, Geborgenheit und Stabilität auf unsere primäre Beziehung, meistens mit der Mutter, angewiesen sind, kann diese Panik immer auch dann entstehen, wenn wir etwas anderes wollen, als die Mutter und dieser Unterschied die Sicherheit in der Beziehung bedroht. Je nach dem, von welchem Alter wir sprechen, sind die Möglichkeiten für das Kind natürlich unterschiedlich weitreichend. Aber nehmen wir mal an, es ginge darum, im Alter von 18 Monaten selber zu bestimmen, wie viel und was das Kind isst. Ist die Mutter entweder nicht in der Lage oder bereit auf das Kind einzugehen, kann für das Kind eine Notsituation entstehen, bei der es entweder bei dem bleibt, was es will und die Beziehung riskiert, oder seinen Willen aufgibt und sich anpasst, um Ruhe in die Beziehung und in’s eigene Nervensystem zu bringen. So lange es ein Machtkampf zwischen Mutter und Kind ist, ist letzere Wahl wesentlich wahrscheinlicher. Wir können schließlich auch ohne Selbstausdruck noch überleben, aber ohne Überlebensgrundlage bringt uns der Selbstausdruck nichts. Der Preis dafür ist, dass wir Teile unseres Selbstes leugnen, vergessen und verdrängen müssen, um den Verzicht darauf nicht als unerträglich zu erleben. Schaffen wir das nicht, werden Kampf- oder Fluchtimpulse so stark, dass wir ihnen nicht widerstehen können. Wer sich vorstellt, wie sich eine 3-jährige fühlen muss, die vor Schmerz und Wut hinaus in die Welt fliehen will, versteht, wie bedrohlich das sein muss.

Um jedoch ein gesundes Empfinden für sich selbst zu entwickeln, brauchen wir eine Situation, in der wir uns nicht zwischen Selbstausdruck und Beziehung entscheiden müssen. Und diese Situation entsteht nur durch Triangulierung. Traditionell ist mit dem „dritten Element“ der Vater gemeint. Und zur Illustration will ich auch vom Vater und seiner idealen Wirkung sprechen. Übergeordnet geht es bei der Triangulierung aber vor allem darum, dass es ein vermittelndes Element gibt, das zwischen den Unterschieden eine Brücke schafft. Weiter unten gehe ich darauf ein, welche anderen Formen es noch dafür geben kann.

Die Ideal-Situation

Gehen wir also davon aus, dass Mutter und Kind unterschiedliche Vorstellungen davon und Empfindungen dazu haben, was und wie viel gegessen werden sollte, kann es zum Machtkampf kommen. Kommt nun der Vater hinzu, der eine gute Bindung zum Kind und zur Mutter hat, kann er vermitteln. Er sieht unter Umständen etwas anderes in dem Verhalten des Kindes, wie z.B. den Wunsch, etwas selber zu bestimmen und zu spüren, welche Wirkung es damit haben kann. Wenn er das sieht und nachfühlt, kann er es formulieren und gegenüber der Mutter vertreten. Damit wird er quasi zum „Anwalt“ für das Kind, nimmt es in Schutz und stellt sich daneben. Das Kind kann schon mal anfangen sich zu entspannen, weil die Bedrohung durch die Mutter nachlässt.

Sicher ist die Beziehung aber erst, wenn der Vater nicht nur Antwalt, sondern auch Mediator ist. Dafür muss er auch die Bedürfnisse der Mutter verstehen, evtl. ihre Sorge darum, „es nicht richtig zu machen“, ihre Erschöpfung und ihr Bedürfnis nach Empathie und Erholung zu sehen. Die Präsenz und das Bewusstsein des Vaters sorgen dann für den Raum, in dem die Vermittlung stattfinden kann. Das Kind kann seine Gefühle und Bedürfnisse bewusst erleben, genauso wie die Mutter, ohne dass das die Fronten verschärft. Und vermutlich geht es dann nicht mehr um die konkrete Frage danach, wie viel gegessen wird, sondern um die darunterliegenden Gefühle und Bedürfnisse: die Erschöpfung und Entmutigung der Mutter, die Raum für sich und ihr Inneres braucht und das verständliche Bedürfnis des Kindes, selber zu bestimmen, was es essen mag. Mit dem Raum für diese Gefühle kann ein dritter Weg entstehen, der für Kind und Mutter gleichermaßen funktioniert und auch noch der Beziehung dient. Was genau das ist, ist nun gar nicht mehr so wichtig, weil die Verbindung auf Herzebene wieder hergestellt ist. Vielleicht ist das Kind satt, vielleicht gibt’s noch eine andere Idee zum Essen, vielleicht braucht die Mutter eine halbe Stunde für sich und der Vater springt ein.

Mir ist bewusst, dass ich damit eine Idealsituation beschreibe, die sich sicher sehr viele Menschen gewünscht hätten, jedoch eher selten erlebt haben werden. Damit möchte ich einen bewussten Maßstab dafür schaffen, wie es gehen kann – von dem ausgehend wir besser verstehen können, was in vielen Fällen fehlte und warum es unter Umständen auf diese Weise nicht möglich war. Und was es heute braucht, wenn wir über den Machtkampf hinauswachsen wollen.

Verschiedene Wege mit der gleichen Absicht

Wie schon gesagt, ist der Vater ein idealtypisches Beispiel, welches deswegen so viel Macht hat, weil in der Regel keine Bindung enger ist, als die mit der Mutter und die Notwendigkeit, Eigenständigkeit und Beziehung erhalten zu wollen, nirgendwo größer ist. In abgeschwächter Form kann diese Situation auch umgekehrt passieren, wobei das Kind mit dem Vater einen Konflikt hat und die Mutter vermittelt. Jeder andere nahestehende Erwachsene mit entsprechendem Bewusstsein kann ebenso die Vermittler-Rolle haben. Das vermittelnde Element kann aber auch darin bestehen, dass die Mutter selber Bewusstsein dafür hat, welche Berechtigung ihre Wünsche und Grenzen haben und sie ebenso im Blick hat, was das Kind braucht. Die Vermittlung findet dann in ihrem Bewusstsein statt und sie schafft einen Raum, in dem sie zunächst Verständnis und Einfühlung für sich entwickelt und dann Raum dafür öffnet, das Kind besser zu verstehen.

Vermittelnd wirken können auch Situationen im Außen oder im Körper. Die meisten Menschen erleben als Kind eine besondere Fürsorge, wenn sie krank sind. Ist der Krankheitszustand nicht allzu schlimm, kann er sogar herbeigesehnt werden, weil er der Mutter signalisiert „Meine Bedürfnisse sind jetzt wichtig.“ So kommt der sogenannte „sekundäre Krankheitsgewinn“ zustande, der letztlich im Kern mit der Erleichterung zu tun hat, mit den eigenen Bedürfnissen in der Beziehung vorkommen zu dürfen, ohne um die Beziehung fürchten zu müssen. Eine andere Art, die frühe Triangulierung zu erwirken, nutzt Geschlecht und Sexualität, worauf ich in einem künftigen Artikel eingehen will.

Ich bin sicher, dass es noch mehr Wege gibt, wie kleine Kinder versuchen, aus der Not dieses Machtkampfes zu entkommen, aber im Kern finde ich wichtig zu verstehen, um welche Qualität im Umgang miteinander es geht und warum und wofür die so wichtig ist. Angesichts dessen aber, dass die wenigsten solch eine Idealsituation erlebt haben, stellt sich die Frage, was wir nun mit diesem Wissen anfangen können. Offensichtlich können wir die Vergangenheit nicht ändern. Aber wir haben die Möglichkeit, sie so zu untersuchen, dass wir vollständigere Bilder und umfassenderes Verständnis dafür gewinnen, wo wir in unserem Inneren jeweils stehen und was wir fühlen und verstehen müssen, bevor wir zur Triangulierung fähig sind.

Selbst vermitteln

Eine Art, das „Ziel“ von Psychotherapie zu beschreiben ist, „sich selbst der Vater und die Mutter zu werden, die man nicht hatte.“ Dies spricht darauf an, dass Bewusstsein an sich triangulieren kann. Wenn ich aufdecke, spüre und benennen kann, was in mir passiert, nehme ich dazu eine beobachtende Zeugenposition ein. Von dieser Position aus kann ich vermitteln – entweder mit einer mir wichtigen Person im Außen, oder auch zwischen verschiedenen Positionen in mir selber, wie z.B. wenn ich gleichzeitig autonom und jemandem nah sein möchte. Ohne dieses Bewusstsein spüre ich meine Bedürfnisse mitunter nur als Druck, dem ich nachgehen muss, wenn ich nicht unter unfassbare Spannung geraten will. Und wenn ich dadurch in einen Konflikt mit meinem Gegenüber gerate… nun, dann kann aus einem Hinweis zum Müll eine Nacht getrennt schlafen werden. Oder auch mehrere Nächte.

Zur Bewusstwerdung von Gefühlen und Bedürfnissen gibt es neben klassischer Psychotherapie einige Ansätze, die ich dafür hilfreich finde, allen voran die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg. Das schwierigste an der Entwicklung des Triangulierens liegt allerdings nicht auf der mentalen Verstandesebene, sondern ist tiefer, emotional und körperlich, verankert. Wie schon gesagt, besteht die Überforderung in der Regel vor allem darin, die Heftigkeit der Gefühle nicht ertragen zu können, die angesichts von Konflikten mit Menschen, die wir sehr nah an uns heranlassen, auftauchen können. Dazu zähle ich Enttäuschung, Wut, Verletzung und Angst. Manchmal aber sind es auch die „schönen“ Gefühle, die wiederum Panik auslösen können, weil sie an die eigene Verletzlichkeit und wiederum an den möglichen Schmerz erinnern.

Das Ertragen dieser Gefühle ist unter Umständen erst nach langer innerer Auseinandersetzung möglich, da wir sie unverarbeitet als pure Panik, Auflösung, tiefste Verzweiflung, Todesangst oder andere, viel rätselhaftere Symptome erleben können, die mitunter so weit vom Bewusstsein weg sind, das sie nur körperlich auftauchen. Kopf- und Bauchweh sind beliebte Kandidaten. Und je weniger bewusst uns unsere Geschichte und die heutigen Zusammenhänge damit sind, desto rätselhafter und beängstigender können diese Zustände sein, so dass wir alles mögliche tun, um sie zu vermeiden. Dazu gehören Süchte, Selbstbilder und Überzeugungen, an die wir trotz klarer Gegenbeweise glauben. Aber zur Vermeidung eignen sich auch alle Versuche, einen geliebten Menschen auf Abstand zu halten oder Druck auf ihn auszuüben, er möge doch die unbewussten Deals einhalten, die wir vermeintlich einvernehmlich eingegangen sind und sich an unsere Wünsche anpassen.

Wenn wir diese heftigen Zustände jedoch konsequent vermeiden, kommen wir auch nicht in die Position, deren Wurzel für die heutige Situationen adäquat zu berücksichtigen und in die Vermittlung bei konkreten Konfliktsituationen mit einfließen zu lassen. Mitunter braucht es heftige Krisen im Leben eines Menschen, bevor er bereit ist, sich mit den vermiedenen und abgewehrten Gefühlen auseinanderzusetzen. Die Situation im Außen muss manchmal so unerträglich werden, dass das innere Unerträgliche im Vergleich akzeptabel wirkt. Da das wiederum auch überfordernd sein kann, kann die innere Arbeit sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, in der in ganz kleinen Schritten, Schicht für Schicht der Gefühle zu dem frühen Drama des Machtkampfes und der Anpassung ins Bewusstsein gelangt.

Ist dieser Weg jedoch für einen guten Teil gegangen worden, kann das erwachsene Bewusstsein die innere frühe Not erfassen, berühren und halten, so wie der damalige ideale Elternteil es getan hätte. Wir können dann zu unserem eigenen Anwalt und Mediator werden. Dadurch wird echtes und tief empfundenes Mitgefühl mit dem Kind möglich, das wir einmal waren und deren Gefühle und Erlebnisse bis heute prägen, wer wir sind. Und mit diesem bewussten Mitgefühl kann ich in die Vermittlung gehen – sei es zwischen verschiedenen Anteilen in mir oder zwischen mir und einem geliebten Menschen, mit dem ich Unterschiede habe. Außerdem habe ich damit auch die innere Freiheit, innerhalb einer Beziehung Grenzen zu ziehen und unter Umständen Abstand zu schaffen, wenn ich Raum für innere Vermittlung brauche. Komme ich zu dem Schluss, dass mein Gegenüber nicht die Voraussetzungen erfüllt, die ich mir für die Beziehung wünsche, kann ich auch entscheiden, eine Beziehung zu beenden – und dank der inneren Vermittlung die Gefühle auffangen, die dieser Verlust vermutlich auslöst und die als Kind unerträglich gewesen wären.

Eine Alternative

Vor dem Hintergrund des bis hierher Erörterten möchte ich nochmal den Dialog vom Anfang aufgreifen, mit dem Unterschied, dass es dem Mann möglich ist, mit der Triangulierung zwischen verschiedenen Anteilen in ihm und seiner Partnerin anzufangen, bevor auch sie miteinstimmt. Damit möchte ich demonstrieren, welcher Raum dank der Triangulierung aufgehen kann, in dem all die Konflikte, Unterschiede, aber auch die Verbundenheit Platz haben.


Sie: „Schatz, hast du den Müll schon rausgebracht?“

Er: „Nee, aber mache ich später, jetzt stress mich doch nicht so!“

Sie: „Mach ich doch gar nicht! Ich hab halt keinen Bock auf ’ne stinkende Küche und sehe nicht ein, dass ich schon wieder dafür sorgen soll!“

Er: „Moment mal… lass uns mal für einen Moment inne halten, irgendwas läuft hier gerade aus dem Ruder…“

Sie ist zwar angespannt und wütend, aber wird still und lässt ihm Raum zum Spüren. Er schließt die Augen und nimmt wahr, dass er sehr unter Spannung steht. Ihm wird bewusst, dass er Angst hat, er könnte seine beruflichen Aufgaben nicht rechtzeitig schaffen und dabei Geld einbüßen, das er sehr gerne für sich und seine Partnerin zur Verfügung hätte. Auf einer noch tieferen Ebene spürt er die Verzweiflung, die er als kleiner Junge hatte, wenn er keine Worte dafür hatte, wie es ihm ging und sich so gewünscht hätte, seine Mutter hätte es erspüren und ihn verstehen können. Das war oft nicht so gewesen und sein Vater war ebenso nicht da gewesen, um für das Verständnis zu sorgen. Er hatte lange gebraucht, um den tiefen Schmerz und die Ohnmacht darüber endlich zulassen zu können, statt sich zu sagen, dass er das nicht bräuchte oder irgendwann noch erwirken könnte. Auf einer Ebene hätte er dieses Verständnis gerade unfassbar gerne von seiner Partnerin bekommen. Auf einer anderen Ebene kann er sie sehen, wie sie gerade ebenfalls unter Druck steht, auch wenn er noch nicht genau weiß, was dahinter steckt. Er atmet noch einmal durch, öffnet die Augen und sagt: „Du, Schatz, ich merk, dass du ganz schön unter Druck zu stehen scheinst. Magste sagen, was dich so beschäftigt?“

Sein ruhiger und freundlicher Tonfall berührt und beruhigt sie schon ein ganzes Stück weit und sie sagt: „Ach du… ja, das stimmt. Sorry, dass ich dich gerad so angeschnauzt hab. Ich habe jetzt ein paar Mal gehört, dass du Dinge später machen willst und dann waren sie doch nicht gemacht. Mich stresst das total, weil ich dann anfange zu zweifeln, dass du mich wirklich hörst und ernst nimmst.“

Er nimmt das auf und ist erleichtert, sie darin spüren zu können. Weil er sie kennt, hört er auf einer tieferen Ebene das Kindheitsthema von ihr, bei dem in Frage steht, ob ihre Bedürfnisse überhaupt eine Rolle spielen durften, wenn sie anders waren, als ihre Mutter wollte oder wichtig fand. Sie hatten darüber schon oft Gespräche geführt, deswegen antwortet er: „Das trifft dich gerad an dem alten Punkt, oder?“

Sie: „Ja… danke, dass du das gerad siehst.“ Sie seufzt und es kommen ihr ein paar Tränen. Sie ist gerührt davon, dass er sie sieht. Gleichzeitig spürt sie auch, wie tief dieser Schmerz sitzt und wie schwer es ihr manchmal fällt, ihn bewusst zu ertragen. Ganz davon zu schweigen ihn zu halten und Mitgefühl mit sich zu haben. Stattdessen spürt sie schnell den Impuls, sich unter Druck zu setzen und den Druck wütend nach außen weiter zu geben. Manchmal fällt sie auf den Druck hin auch dissoziiert in sich zusammen und spürt nichts mehr, wie als sie ganz klein war und ohne die Mutter nichts machen konnte. Sie fühlt die Not wie eine unfassbare Last auf der Brust, der ihr schier den Atem raubt. Sie erinnert sich, wie einsam sie als kleines Mädchen war, wenn ihr die Beachtung und das Verständnis ihrer Mutter fehlte und auch für sie kein Vater da war, der hätte vermitteln können. Auch sie wünscht sich manchmal, ihr Partner könnte das verstehen, ohne dass sie etwas sagen müsste – dann würde diese unerträgliche Verzweiflung doch gar nicht erst aufkommen! Gleichzeitig weiß sie genug, um zu verstehen, was es ihn kosten würde, wenn er das versuchen würde. Denn er müsste dafür viel mehr auf sie als auf sich achten – und das würde letztlich der Beziehung und damit auch ihr schaden. Nach vielen Versuchen in der Vergangenheit weiß sie, dass sie diesen Preis nicht zahlen möchte.

Zu ihm sagt sie also: „Weißt du, ich weiß, dass du mir nicht abnehmen kannst, dass ich mich mitteile, wenn ich fürchte, dass du mich nicht ernst nimmst, auch wenn ich mir das manchmal so wünschen würde. Und ich kann sehen, dass du selber unter Druck stehst und der Haushalt für dich deswegen auch gerade hinten an steht…“ Sie hält inne, atmet durch und sagt: „Ich merke gerade, ich stehe nicht mehr unter Stress. Ich kann gerad meinen Zweifel und die Verzweiflung von früher verstehen. Ich krieg außerdem mit, dass du mich ernst nimmst.“

Er ist erleichtert und berührt und lädt sie zu einer tiefen, zärtlichen Umarmung ein. Nachdem sie sie annimmt, sagt er ihr sanft in’s Ohr: „Was hältst du davon, wenn ich jetzt den Müll rausbringe und wir es uns dann auf der Couch gemütlich machen?“

Sie: „Das fänd ich ganz wunderbar… dann bereite ich schon mal die Snacks vor.“

Auftrag

Ich liebe meinen Beruf. Psychotherapeut zu sein erlaubt mir, im Einklang mit meinem Inneren, meinen Werten und meiner Leidenschaft Zeit zu verbringen, während für meine Existenzgrundlage gesorgt ist. Ich könnte es mir nicht schöner vorstellen.

Es gibt allerdings eine Seite an dem Beruf, die mich herausfordert, sehr genau auf meine Grenzen zu achten, wenn ich nicht ausgelaugt, angespannt, ängstlich und überfordert leben möchte. Ich hatte in der Vergangenheit Sitzungen und ganze Verläufe, in denen es mir so erging und von KollegInnen höre ich immer wieder, dass sie mit solchen Empfindungen zu kämpfen haben. Wer dafür keine Lösung findet, kann diesen Beruf und andere Helfer- oder Berater-Berufe wie z.b. Coach oder Trainer nicht ausüben, ohne früher oder später in einen Burnout zu rutschen. Auch mir hätte das passieren können und das könnte es noch, wenn ich nicht achtsam bin. Ich möchte hiermit teilen, wie ich das Problem verstehe und wie ich mich davor schütze, in der Hoffnung, dass andere davon profitieren können.

Das ideale Gegenüber

Wie vermutlich alle meine KollegInnen verbinde ich mit dem Beruf etwas sehr Persönliches. Ich bin meinen KlientInnen idealerweise ein Gegenüber, wie ich es selbst gern gehabt hätte, als ich klein war. Die Einstimmung, die Wärme, das Interesse, der Überblick… alles Qualitäten, die mir als Kind unfassbar wertvoll gewesen wären, insofern sie mir fehlten. Unreflektiert kann das dazu führen, dass die Psychotherapie zum Spielfeld dafür wird, dass ich mir selbst demonstriere, dass es diese Qualitäten gibt. Dass sie auf dieser Welt möglich sind. Es ist dann, als würde ich den kleinen Niklas in den Sessel setzen, indem mein/e KlientIn sitzt und zu ihm sprechen, ihn umsorgen und vermitteln, dass er geliebt wird. Das projiziere ich dann auf meine KlientInnen. Somit werde ich für den kleinen Niklas zum Modell für das, was ich als Kind gebraucht hätte.

Abgesehen von der schwerwiegenden Konsequenz, dass ich meine KlientInnen auf diese Weise nicht in ihrer Eigenart, ihrer einzigartigen Situation und ihren eigenen Wünschen wahrnehmen kann, ist außerdem problematisch, dass diese Inszenierung nur gelingt, wenn mein Gegenüber mitmacht. Denn das habe ich nicht in der Hand. Und wenn ich unbewusst versuche, diese Inszenierung zum Gelingen zu bringen, mein Gegenüber aus irgendeinem Grund aber nicht will oder nicht kann, bin ich ohnmächtig. Ich will etwas, was ich alleine nicht herstellen kann. Und so lange mir dieser Versuch nicht bewusst ist, gerate ich während der Arbeit regelmäßig in Angst- und Erschöpfungszustände, die mittelfristig in Burnout münden.

Machen Sie das bitte weg!

Als ich im Rahmen meiner Approbationsausbildung damit anfing, mit KlientInnen zu arbeiten, begegnete mir ein Klient, der von Angstzuständen sprach, die urplötzlich und ohne ihm zugängliche Erklärung in seinem Leben aufgetaucht seien. Er hätte gerne, dass die weggingen. Als er nicht mehr sagte, entstand eine Stille, die ich äußerst unangenehm empfand, da ich ohne Gesprächsfluss mit voller Breitseite wahrnahm, wieviel ich mir abverlangte. Ich bemerkte den Anspruch, dass ich nun mit Hilfe meines Kopfes eine ausgiebige Anamnese mit Analyse und Diagnose stellen müsste, um dann genau zu wissen, wie ich den Herrn behandeln müsste, damit auch ja ganz sicher seine Ängste weggingen. Und das alles, ohne dass der Klient mehr von sich einbrächte oder aktiv beteiligt wäre. Ich erwartete von mir, den Klienten dazu bringen zu können, sich zu öffnen und mir von Schichten in sich zu erzählen, die er selber noch gar nicht kannte. Wie sollte ich das machen? Ich kannte ihn doch auch nicht! Und woher die Ängste kommen – keine Ahnung! Steht das in irgendeinem Lehrbuch? Das alles fühlte sich unfassbar schwer und zäh an.

Diese Erfahrung habe ich immer wieder gemacht, in unterschiedlicher Art und Weise. Mal war jemand besonders passiv, manchmal waren „auch einfach alle anderen schuld“, mal sollte ich für Entspannung sorgen oder eben so mitfühlend und liebevoll sein, wie Mama es nie war, obwohl ich fand, dass mein Gegenüber selbst aktiv (wenn auch unbewusst) an seiner Misere beteiligt war. Ich brachte mich immer wieder in Bredouille, weil ich mir auftrug, meine KlientInnen zu retten, obwohl ich das nicht kann und die das mitunter gar nicht wollten. So ging das weiter, bis ich von Dozenten und Supervisoren den Hinweis bekam, dass ich die Klärung des Auftrags nicht auf dem Schirm zu haben scheine.

Eine Grundvoraussetzung

Der Auftrag ist eine der wichtigsten Grundlagen dafür, dass Psychotherapie gelingen kann. Im Kern bedeutet das, dass mein Gegenüber weiß, wofür es zu mir kommt und die Verantwortung für diese Entscheidung trägt. Das ist so wichtig, denn meine KlientInnen lassen mich unfassbar nah an sich heran. Es ist nicht so offensichtlich wie bei einem Zahnarzt, der mir in den Mund schauen darf, damit er mir hilft, gesunde Zähne zu behalten. Es geht um Innerlichkeit und die ist selten so klar definiert, wie ein gesunder Zahn. Was darf ich sagen? Welche Maßstäbe darf ich dafür anlegen, was für mein Gegenüber gut wäre? Worauf darf ich hinweisen? Darf ich mitteilen, was ich wahrnehme, auch wenn es furchtbar unangenehm und konflikthaft ist? Ohne den Auftrag habe ich kein Recht dazu, denn es geht mich nichts an, wie andere Menschen ihr Leben führen. Mein Engagement kann schnell übergriffig wirken, wenn der Zusammenhang zu dem, was meine KlientInnen ursprünglich bei mir wollten, nicht mehr klar ist.

Das heißt, mit klarem Auftrag schütze ich mich davor, mich mit einer Aufgabe zu verausgaben, die ich nicht in der Hand habe. Und ich schütze meine KlientInnen davor, den Überblick über den Sinn des Geschehens zu verlieren, sowie Opfer meiner (bzw. des kleinen Niklas‘) Ansprüche zu werden, die sie höchstwahrscheinlich als unangenehmen Druck wahrnehmen könnten, wenn sie genug Bewusstsein dafür haben.

Aus dieser Klarheit ergeben sich nun zwei weitere Herausforderungen: Wie können meine KlientInnen einen klaren Auftrag definieren? Und welche Aufträge nehme ich an und welche nicht?

Das verflixte am Unbewussten…

… ist bekanntlich, dass es wirklich unbewusst ist. Das heißt, da der Ausgangspunkt für eine Psychotherapie meistens darin besteht, dass meine KlientInnen bzgl. ihrer Lebenssituation und ihrer Möglichkeiten verwirrt sind und sich verloren und orientierungslos vorkommen, stellt die Frage nach einem bewussten Auftrag oft eine Überforderung dar. Es ist ja gerade diese Unklarheit und der Einfluss unbewusster Gedanken-, Gefühls- und Handlungsmuster, die zu den Symptomen führen, welche den Leidensdruck ausmachen und Anlass für eine Psychotherapie darstellen. Und die Verknüpfung zwischen Symptom, Ursache und Erkenntnissen, die auf Wachstum und Erfüllung hinweisen, ist gerade auf der seelischen Ebene nicht linear oder sofort erfassbar. Ich habe schon Fälle gehabt, in denen ich rein intuitiv entscheiden musste, ob mein Gegenüber einen Auftrag hat, selbst wenn der Auftrag fern des Bewusstseins erschien. So habe ich z.B. mit einer Frau gearbeitet, die jeden Versuch meinerseits, festzustellen, worum es ginge, damit beantwortete, dass es doch etwas anderes sei, als was sie gerade gesagt hatte. Sie war nicht zu greifen. Und genau das war ihr Problem, denn es führte in vielen Lebenssituationen dazu, dass sie sich innerlich so fern von ihren eigenen Wünschen hielt, dass sie keine Freude an noch so schönen Umständen emfinden konnte. Hatte sie damit keinen Auftrag?

Ich hatte zwei Indizien, dass das nicht stimmte: Zum einen fühle ich in der Regel eine gewisse, lebendige Spannung, wenn mein Gegenüber einen echten Wunsch hat, zu arbeiten. Die war anwesend. Zum anderen sagte die Klientin, wenn ich danach fragte, es sei ihr unfassbar wichtig, dass sie kommen könne. Den Auftrag zu formulieren jedoch hätte von ihr erfordert, dass sie sich ihrer Abwehr dagegen bewusst wurde, in irgendeiner Art sichtbar, greifbar und damit auch „angreifbar“ zu sein. Dazu war sie zu Beginn der Therapie nicht in der Lage.

In der Praxis begegne ich diesem Problem, indem ich mit meinen KlientInnen zu Beginn der Therapie ein Gespräch darüber führe, welchen Auftrag ich annehme. Im Kern gibt es tatsächlich nur einen, auch wenn er an der Oberfläche unterschiedlich aussehen kann: „Bitte helfen Sie mir zu verstehen, in was für einer Situation ich mich befinde und welchen Einfluss ich darauf habe, ohne das bisher gemerkt zu haben.“ In der Regel sorgt die Klarheit über diese Möglichkeit für Erleichterung und eine gute Grundlage, damit zu arbeiten. Denn selbst wenn der klare Blick auf einen selbst zuweilen sehr schmerzhaft und unangenehm sein kann, wird durch diesen Auftrag klar, wofür sich das lohnen könnte. Und dass meine KlientInnen von nichts und niemandem dazu gedrängt werden, außer ihrem Wunsch, den eigenen Leidensdruck zu reduzieren.

Nichtsdestotrotz erlebe ich selten Prozesse ohne Abwehr oder Widerstand, in denen die unbewussten Versuche, nicht allzu viel durcheinander zu bringen und eine gewisse Grundstabilität zu bewahren, den Erkenntnisprozess beeinflussen. Das ist zu erwarten, denn in der Regel ist es ja genau die Abwehr, die die Wahrnehmung der Situation, wie sie ist, verhindert. Habe ich den oben formulierten Auftrag, kann ich das benennen und darauf hinweisen. Ohne, dass der Auftrag auf dem Tisch wäre, würde ich mich das unter Umständen nicht trauen, weil ich niemandem zu nahe treten will. Und wer diese Konfrontation nicht möchte, kann mit mir über den Auftrag sprechen und im Fall zur Entscheidung kommen, ihn mir zu entziehen.

Ohne Auftrag kein „Saft

Dass Aufträge unbewusst sein können, bedeutet dennoch nicht, dass immer einer da ist. Der Unterschied ist spürbar, denn in meinem Empfinden stellt sich in diesem Fall eine gewisse Zähigkeit und Kraftlosigkeit ein. Das kann Widerstand sein, muss es aber nicht. Dafür Kriterien zu haben finde ich wichtig. Ansonsten kann das Argument des unbewussten Auftrags dazu führen, dass ich nicht erkenne, wann wirklich keiner da ist. Damit würde ich letztlich wieder eine Situation schaffen, in der ich meinen KlientInnen meine Vorstellungen davon aufzwänge, was gut für sie wäre, und mich dabei verausgaben.

Direkt zu Anfang

Zum einen gibt es den Fall, dass KlientInnen mit einem bestimmten Bild zur ersten Sprechstunde kommen und feststellen, dass Psychotherapie ihnen etwas abverlangt, wozu sie nicht bereit sind. Vielleicht nur zu diesem Zeitpunkt nicht, vielleicht aber auch nie. Gerade die Vorstellung einer „psychotherapeutischen Behandlung“ vermittelt etwas passives, bei dem KlientInnen etwas geschieht, am besten, ohne dass sie es selbst mitbekommen. Das Bild erinnert an eine chirurgische Behandlung unter Narkose.

So hatte ich mal einen Klienten, Anfang 60, in der ersten Sprechstunde, der Angst um seine Ehe hatte, nachdem seine Frau ihn wiederholt dabei beobachtet hatte, wie er Fotos von fremden Frauen machte. Dies war eine voyeuristisch angehauchte Gewohnheit, die er schon vor der Ehe gehabt hatte und von der seine Frau ihm gesagt hatte, dass sie damit nicht leben könne. So war es auch jetzt. An mich hatte er den Auftrag, ihn so zu behandeln, dass er diese Gewohnheit loswürde und so seine Ehe schützen könne. Nach einigen Fragen über seine Situation wurde mir klar, dass ich diesen Auftrag so nicht annehmen würde. Mir schien der eigentliche Konflikt darin zu liegen, welche Rolle Sexualität in der Ehe spielen durfte (nämlich gar keine und das seit Jahren schon) und inwiefern und warum er bereit war, das hinzunehmen. Nach der Sitzung teilte er mir per Email mit, dass er unter diesen Umständen von einer Psychotherapie absehen wolle.

Verantwortlich für dieses Bild einer Behandlung unter Narkose halte ich einen berufspolitischen Druck, den es schon seit den Zeiten Sigmund Freuds gibt: da der Gegenstand von Psychotherapie etwas unsichtbares und tendenziell unbewusstes ist, muss sich der Berufsstand des Verdachtes der Quacksalberei erwehren, die im besten Falle nichts nützt und im schlimmsten Falle (evtl. auch finanziell) schadet. Wissenschaftliche Belege für die Wirksamkeit von Psychotherapie-Verfahren zu liefern und damit die Glaubwürdigkeit (und die öffentliche Finanzierung) zu sichern, erfordert jedoch, dass Bedingungen und Vorgehensweisen gemäß gewisser Richtlinien standardisiert werden, da man sie sonst nicht vergleichen kann. Ohne immer gleiche Bedingungen gibt es zu viel Chaos im Ergebnis, als dass sich die Prozesse von KlientInnen wirklich einer Psychotherapie, geschweige denn bestimmten Therapieschulen zuordnen ließen.

Was jedoch für das Design einer randomisierten Studie wichtig ist, widerspricht einem der wichtigsten Wirkprinzipien der Psychotherapie: Das Bewusstsein der KlientInnen selbst sorgt dafür, dass Ordnung entsteht, wo vorher Chaos war, dass Erkenntnisse auftauchen und Zusammenhänge ersichtlich werden dürfen, die letztendlich für so etwas wie „Heilung“ sorgen. Als Psychotherapeut begleite und fördere ich diesen Erkenntnisprozess, trete in Beziehung und setze ein, was ich an Wahrnehmung und Instrument habe. Jedoch wirkt der Prozess nur, wenn er in den KlientInnen selbst stattfindet. Da jeder Mensch sein eigenes Bewusstsein hat, ist dieser Prozess hochindividuell und eben nur sehr begrenzt standardisier- bzw. manualisierbar. Die Essenz, scheint mir, bleibt dabei außen vor.

Für den unerfahrernen Laien kann das Fehlen eines solchen Plans unübersichtlich und beängstigend wirken. KlientInnen also, die zu große Angst vor dem eigenen Erleben und den Folgen dieser Art von Aufdeckung haben, können von daher keinen Auftrag an mich haben, den ich annehmen wollte bzw. könnte.

Ein Plateau

Zum anderen gibt es den Fall, dass der Verlauf einer Psychotherapie bis zu einem bestimmten Punkt gekommen ist, an dem KlientInnen ein Entwicklungs-Plateau erreicht haben, das mit Erlebnissen gefüllt werden will, bevor es durch neue Erkenntnisse weitergehen kann. Dieses Plateau kann unter Umständen Jahre andauern, vielleicht auch bis zum Tod.

So hatte ich mal eine Klientin, Mitte 40, die ich 1 1/2 Jahre lang darin begleitet hatte, sich im Rahmen ihrer Ehe eine in ihrem Leben zuvor noch nie dagewesene emotionale Unabhängigkeit zu erarbeiten. Zu Beginn bezog sie sich auf alles, was ihr Mann tat, sagte, dachte, bzw. was ihr darin fehlte. Sie versuchte sein Verhalten so zu beeinflussen, dass er sich ihr liebevoll zuwand, um über seine Zuwendung die tiefen Konflikte in Schach zu halten, die sie in sich trug, seit sie klein war: „Was mache ich hier eigentlich? Wofür bin ich hier, wenn es doch nur Angst, Einsamkeit und Leid gibt?“ Diese Kontrollversuche waren auslaugend, erschöpfend und funktionierten nicht. Im Laufe der Psychotherapie bekamen ihre inneren Konflikte zunehmend Raum in ihrem Bewusstsein und es gelang ihr, unabhängig von ihrem Mann, eine Balance darin zu erleben. Sie begann Hobbys aufzunehmen und es sich, unabhängig von ihm, gut gehen zu lassen. Da er parallel keine solche Entwicklung durchlief, entstand zwischen beiden ein Abstand, den er nicht mochte, sie jedoch brauchte und genoss.

Einige Stunden lang war dieser Genuss Thema und in mir entstand eine Art Spannungsabfall. Die Klientin hatte Großes erreicht… aber wozu kam sie jetzt noch in die Praxis? Ich überlegte, was nun ein nächster Entwicklungsschritt sein könnte und sprach das Thema Nähe und Sexualität an, welches in meinen Augen den anderen Pol zur jetzt gewonnenen Autonomie der Klientin darstellte. Sie reagierte darauf mit Abwehr und Anspannung. Sie sei doch zu alt für sowas und das sei jetzt nicht dran. Da sie ja dennoch noch kam, fragte ich, ob es ihr schwer falle, Abschied zu nehmen und sie den Kontakt in den Stunden genieße, auch wenn klar sei, dass es gerade gut sei. Dies bestätigte sie und fügte hinzu, dass sie derzeit konsolidieren wolle, was sie erreicht hätte und es nicht durch neue Entwicklungen destabilisieren wolle, bevor sie dazu wirklich bereit sei. Damit war klar, dass einstweilen ein Abschied bevorstand.


Hiermit schließe ich vorerst meine Betrachtungen zum Thema Auftrag. Ich bin dankbar dafür, relativ früh in meiner Laufbahn auf die Notwendigkeit desselben hingewiesen worden zu sein und diese Klarheit erhalten zu haben. Ich wünsche mir und anderen Kollegen möglichst lange die Freude und Begeisterung an dem Beruf, die ich dank dessen fühlen darf.

Einfach mal so halt

Mir ist in den letzten Wochen aufgefallen, wie häufig meine KlientInnen Wörter wie „einfach, „mal“ oder „halt“ in Kontexten benutzen, die in der Regel alles andere als einfach sind.

„Ja, ich weiß, ich sollte halt einfach mal Grenzen setzen oder endlich kündigen.“

„Warum sag ich nicht einfach, was ich will? Das werde ich doch wohl mal hinkriegen, oder nicht?“

„Wenn ich einfach mal im Hier und Jetzt wäre, würde es mir bestimmt besser gehen.“

Oder auch Wörter, die Selbstverständlichkeit suggerieren, wo keine ist. Darunter zähle ich „natürlich“, „sicherlich“, „total klar“, „logisch.“

„Natürlich verdränge ich, dass es mir total beschissen geht.“

„Ich pass nicht auf mich auf, total klar, brauchen wir gar nicht drüber reden.“

„Sicherlich hab ich meine Ehe vor die Wand gefahren. Logisch, denn ich hab halt einfach keine Ziele mehr gehabt.“

Beliebt sind auch „irgendwie“ und „sozusagen“, welche für Unschärfe sorgen, wo Konkretes anecken könnte:

„Ja, jetzt sorg halt irgendwie mal für Ordnung, jetzt sofort, sozusagen.“

„Irgendwie fühle ich mich hier unwohl, ziemlich sehr sogar irgendwie.“

„Das ist, sozusagen, was ich die ganze Zeit sozusagen irgendwie nicht sagen wollte.“

Lange Zeit habe ich mich über diese Diskrepanz zwischen Inhalt und Sprache aufgeregt. Aber inzwischen merke ich, dass ich sie mit entsprechendem Feingefühl und Humor sinnvoll nutzen kann, um schnell an der Abwehr vorbei zu saftigen Themen zu kommen, die brandaktuell, tiefgehend und konflikthaft sind und die die Menschen, mit denen ich arbeite, direkt betreffen.

Füllwörter haben im Sprachgebrauch oft die Funktion, harte Positionen in Watte zu packen, so dass sich niemand daran stoßen kann. Wenn ich „halt irgendwie mal“ eine Grenze setze, klingt das umgänglicher, als wenn ich eine Grenze setze. Es ist einfacher, „irgendwie unzufrieden“ zu sein, wenn zu viel Schärfe und Klarheit über eine Unzufriedenheit die Beziehung in Frage stellen könnte. Und ich finde es durchaus legitim, dieses „Schmiermittel“ bewusst einzusetzen. Genauso nützlich finde ich es, nachzuschauen, was dahinter steckt, denn ich kann diese Wörter auch als hypnotische Sprachmuster verstehen, die eine Abwehrwirkung haben und alles andere als zufällig auftauchen.

Immer da, wo wir es mit großen schwierigen Problemen zu tun haben, können wir schnell unsere innere Stabilität in Gefahr sehen. Probleme und Konflikte lösen mitunter Chaos aus und wir fürchten, den Überblick über unser Leben zu verlieren. Je komplexer das Problem, desto unklarer, wie die Lösung aussehen könnte. Vielleicht gibt es ja auch gar keine und was wäre dann? Kann ich aushalten, das nicht zu wissen? Kann ich die Spannung halten? Diesen Umstand ohne Unterbrechung präsent zu haben kann im Leben für große Unruhe sorgen. Wenn ich jedoch beginne, das Problem optimistisch zu verzerren, kommt es mir nicht mehr so überwältigend vor und ich kann mich auf bestimmte Lebensbereiche konzentrieren. Gleichzeitig zahle ich damit, dass ich die problematischen Bereiche nicht mehr so genau wahrnehme, wie ich müsste, um sie überblicken zu können. Und genau die melden sich mittels der Symptome, mit denen KlientInnen in die Praxis kommen.

Gar nicht mehr so einfach

Wer Interesse hat, bei sich tiefer zu gehen, kann sich dabei beobachten, an welchen Stellen sie/er diese hypnotischen Sprachmuster bei sich selbst enteckt. Um auch nur ansatzweise zu spüren, was sie abwehren, reicht es zunächst, den gleichen Satz ohne die Füllwörter zu sagen und zu spüren, wie er sich anfühlt. Nehmen wir folgenden Beispielsatz:

„Dann werde ich halt einfach irgendwann mal irgendwie mit dem Abnehmen anfangen, kann doch nicht so schwer sein.“

Und jetzt ohne Füllwörter:

„Dann werde ich mit dem Abnehmen anfangen.“

Wenn ich den zweiten Satz lese, werden die Konsequenzen sofort spürbar. Der Klient, den das Thema betraf, sagte daraufhin dazu: „Das kriege ich nie hin.“ Fragen, die im Prozess auftauchten waren: Mit welchen Konflikten kriege ich es zu tun? Welche Funktionen erfüllt das Essen? Was verbinde ich mit Kochen und bewusster Auswahl von Nahrungsmitteln? Mit körperlicher Selbstfürsorge? Wie geht es mir mit Sport und Bewegung? Welche sozialen Erfahrungen verbinde ich damit? Wie beziehe ich mich auf meinen Körper? Was bedeutet es für mich, zu leben und gesund zu sein, bzw. sterben zu können? Mit einem Schlag wird deutlich, was Füllwörter alles abwehren können, ohne dass wir es merken. Und wie komplex die Zusammenhänge sein können, über die wir Überblick brauchen, wenn wir ein Gleichgewicht herstellen wollen.

Im Folgenden nehme ich ein paar weitere Beispiele von oben, lasse die Füllwörter weg und berichte vom dazugehörigen Therapie-Prozess, um zu illustrieren, was sich hinter der vereinfachten Oberfläche verbergen kann.

„Ja, ich weiß, ich sollte meine Grenzen setzen oder endlich kündigen.“

Sofort ist der Konflikt anwesend und sehr deutlich, welche Gravitas er hat. Die betreffende Klientin im Klartext dazu: „Einerseits weiß ich woran ich bin, meine Umstände sind vertraut, meine Miete bezahlt, mein Kühlschrank voll. Ich hasse es, nicht zu wissen, wie es weitergeht. Deswegen verkneife ich mir Tag für Tag zu sagen, was mir stinkt. Andererseits habe ich Kopfschmerzen, wenn ich schon in’s Büro gehe, meine Kollegen schaffen eine Geräuschkulisse, die meine Konzentration unmöglich macht und mein Chef reagiert erst nach der vierten Email auf meinen Hinweis, dass das Programm nicht funktioniert, mit dem ich meine Aufträge erfüllen soll. Ich bin ratlos und weiß nicht, wie ich hierzu eine balancierte Sichtweise finden soll, bei der ich weder zu krass noch zu nachgiebig handel.“

„Ich pass nicht auf mich auf.“

Hier klar zu sein wirft die Frage auf: „Ja, warum denn nicht?“ In der Untersuchung entdeckte die betreffende Klientin, dass sie einen tiefen Konflikt darüber hatte, ob sie überhaupt am Leben sein möchte. Nicht als ganze Person, aber zu einem kleinen Teil, der immer wieder an die Oberfläche kam. Sie hatte als kleines Kind ein paar sehr gewaltvolle Erfahrungen gemacht und war bis heute damit isoliert geblieben. Das heißt, sie hatte nach anfänglichen Versuchen als Kind, die scheinbar ignoriert oder abgeblockt worden waren, niemandem davon erzählt und auch selbst den bewussten Kontakt zu der Erinnerung verloren. Der Teil von ihr, der diese Erfahrung gemacht hatte, wollte jedoch gehört werden und ohne diese Aufmerksamkeit hatte er sich in Verhalten ausgedrückt, das der Klientin immer wieder ein Rätsel war. Sie beobachte sich bei riskanten Überholmanövern, ungeschütztem Sex mit dubiosen Männern oder das wiederholte Vergessen von wichtigen Terminen oder Liegenlassen und Verlieren von wichtigen Gegenständen. Darin drückte sich im Überblick der Unwille aus, sich so auf’s Leben zu konzentrieren, dass ihr so etwas nicht passierte, da sie einen Konflikt mit dem Leben hatte, der unbewusst wirkte. Erst als das bewusst wurde und die Klientin sich aufmerksam ihrem Schmerz zuwenden konnte, änderte sich ihr Verhalten allmählich.

„Ich hab meine Ehe vor die Wand gefahren. Ich hatte keine Ziele mehr.“

„Wie das? Welche Ziele hatten Sie denn gehabt? Was ist damit passiert?“ Ohne die Füllwörter konnte der Klient nicht mehr abwehren, dass dem Ende seiner Ehe ein intensiver innerer Konflikt vorausging, mit dem er sich lieber nicht auseinandersetzen wollte. Er war bei der Arbeit hintergangen worden und hätte aggressiv auftreten oder kündigen müssen, um seine Situation zu verändern, war aber resigniert in sich zusammengesunken und hatte einige Jahre ausgeharrt, ohne dass es besser wurde. Seine Frau bekam das mit und wollte nicht mehr, nachdem sie einige Versuche unternommen hatte, zu ihm durchzudringen. Er nahm das passiv hin und kam mit Depressionen zu mir. Im Kern fand er, dass er glaubte, sich zu wehren würde ihn nur in Gefahr bringen, da ihn ohnehin jeder platt machen würde. Als Kind war ihm das einige Male passiert, vor allem mit seiner Mutter, was er jedoch bis dato nicht bewusst reflektiert hatte. Ohne Bewusstsein für seine frühe Ohnmacht war es ihm unmöglich, eine realistische Einschätzung seiner Möglichkeiten zu finden, die durchaus besser waren, als er glaubte. Das verhalf ihm zu einer Perspektive, in der ihm wieder Ziele einfielen, für die sich einzusetzen sich lohnte.


Diese Beispiele illustrieren, was für ein komplexes Innenleben hinter vermeintlich einfachen Sätzen stecken und wie es Eingang in den sprichwörtlichen „Kaninchenbau“ der Seele sein kann (daher auch das Titelbild). Gleichzeitig möchte ich keine Formel daraus machen, die jederzeit und immer besagt, dass Füllwörter etwas abwehren. Es erfordert entsprechende Selbstwahrnehmung, spüren zu können, ob Sprache und Inhalt sich widersprechen und was das etwaige Unbehagen bedeuten könnte, wenn es nicht zusammenpasst. Dazu hilft es, diese Übereinstimmung oder das Fehlen davon bei sich selbst wahrnehmen zu können. Mit diesen Worten der Vorsicht möchte ich dennoch sagen, dass Abwehr oft sehr raffiniert, versteckt und getarnt ist und psychotherapeutische Prozesse und Gespräche dadurch zäh und schwierig werden können. Diese Füllwörter können hingegen ein einfacher Einstieg sein. Einfach mal so halt 😉

Grenzen und Sex

Audio-Version des Artikels, gelesen vom Autor

„Ich verstehe mich einfach nicht. Wie kann es sein, dass ich scheinbar nur auf Typen stehe, die sich einen Dreck um mich scheren, und dann schon fast angewidert bin, wenn ein Mann mich respektvoll und freundlich behandelt? Hab ich sie noch alle? Halte ich wirklich so wenig von mir, dass sich eine Beziehung nur ‚richtig‘ anfühlt, wenn ich darum kämpfen muss, beachtet zu werden?“

Sowohl privat als auch in der Praxis höre ich immer wieder von diesem Dilemma, wenn es um sexuelle Beziehungen geht. Irgendetwas scheint gar nicht zusammen zu passen, für Männer und für Frauen: einerseits sehnen wir uns nach liebevollem Kontakt, Gemeinsamkeit, Nähe, Geborgenheit. Andererseits wollen wir Aufregung, Leidenschaft, Unvorhersehbarkeit, viel Energie und Bewegung. Scheinbar ist einerseits Sicherheit wichtig, andererseits ist es langweilig, wenn alles so läuft, wie erhofft oder erwartet. Wie kann das sein? Was ist da los?

Ich ringe in diesem Thema schon lange um Klarheit. Denn was die Klientin in dem Zitat beschreibt, kenne ich als Mann als Doppelbotschaft an mich, an der ich schon manches Mal verzweifelt bin: einerseits wünscht sich meine Liebste Entschiedenheit, andererseits Einfühlsamkeit. Sie will sowohl klare Ansagen als auch weiches Auffangen und zwar ohne, dass sie mir sagen muss, wann was für sie dran ist. Wenn ich dann noch vergesse, wofür ich eigentlich selber in die Beziehung gegangen bin, was ich von meiner Partnerin will und wozu, verliere ich gänzlich den Überblick. Es kann sehr verwirrend sein. Was also kann als Orientierung dienen, um Licht in dieses Dunkel zu bringen?

Was ich zu dieser Frage im Folgenden beschreibe, verstehe ich lediglich als eine von mehreren möglichen Herangehensweisen an das benannte Problem. Ich erhebe nicht den Anspruch, damit alle möglichen Hintergründe erschöpfend behandelt zu haben.

Feminin und Maskulin

Es gibt zum Thema Beziehung und Sexualität sehr viel Literatur, die ich hilfreich finde, allerdings verdanke ich vor allem David Deida einige Grundgedanken, durch die ich in diesem Thema an Orientierung gewonnen habe. Er hat 10 Bücher geschrieben, die in 25 Sprachen übersetzt wurden, leitet Seminare und lehrt spirituelle Sexualität. In diesem Kontext verstehe ich unter „spirituell“ etwas Überpersönliches, denn wir kommen in der von Deida beschriebenen Sexualität mit Seins-Qualitäten in Kontakt, die uns mit einer anderen Wahrnehmung von uns selbst und der Welt verbinden können. Mit Deida als Lehrer habe ich leider immer auch ein mulmiges Gefühl gehabt, weswegen es lange gedauert hat, bis ich aus seinen Ideen etwas für mich verwend- und verwertbares extrahieren konnte. Im letzten Abschnitt dieses Artikels gehe ich darauf ein, was an seiner Art ich kritisch sehe, aber für jetzt möchte ich vorstellen, was mir wertvoll erscheint und welche Sichtweise sich für mich daraus ergeben kann.

Deida behauptet, dass erotische Spannung, die wir als lustvoll erleben, immer dann auftaucht, wenn ein Partner im maskulinen und einer im femininen Pol ist. Und nur dann. Die Pole werden maskulin und feminin genannt, weil nicht festgelegt ist, welches Geschlecht in welchen Pol geht, aber mit jedem Pol bestimmte Qualitäten einhergehen, die mit der geschlechtlichen Anatomie und den Neigungen der meisten Männer und Frauen korrespondieren. Und auch homosexuelle Paare erleben Lust in dieser Polarität. Da ich aber mit den Besonderheiten von homosexueller Polarität leider keine Erfahrung habe, beschränke ich mich hier auf heterosexuelle Polarität.

David Deida

Deida bringt das Maskuline und das Feminine mit dem in Verbindung, was im Buddhismus das Zusammenspiel von „Leere und Form“ genannt wird. Auch das Yin/Yang-Symbol aus dem Taoismus, das u.a. für Chaos und Ordnung steht, passt dazu. Dabei repräsentiert das Maskuline die Leere und das Feminine die Form. Mit Leere ist hier Potential und Ungeborenes gemeint, das Geistige, die Idee, so wie eine leere Tasse Platz für Tee bietet oder ein leerer Fensterrahmen eine Sicht freigibt. Die Leere ist Freiheit, nicht festgelegt, offen, still. Ein Ursprung, von dem etwas ausgehen kann, Raum, in dem etwas geschehen kann. Das Feminine repräsentiert hingegen die Fülle, den Inhalt, das Konkrete, Geborene, Manifeste, welches sich im Raum der Leere ausbreiten und halten lassen kann. Im Raum bekommt die Fülle Form, bewegt sich in die vorgegebene Richtung und ist einfach, was immer sie gerade ist.

Bildlich ist der maskuline Pol mit einem Flussbett vergleichbar, während der feminine Pol durch den Fluss repräsentierbar ist. Das Maskuline hält, gibt Richtung vor, ist präsent, ruhig und konzentriert. Es drückt einen Willen aus, führt und begrenzt. Das Feminine ist Energie und Empfinden, breitet sich aus, bewegt sich unentwegt hierhin und dorthin, ohne eigene Richtung. Es drückt in voller Ladung aus, was ist und erscheint in allen Farben des Lebens. Beide Pole sind in ihrer Form mächtig und kraftvoll. Das Flussbett äußert seine Kraft im Halten, der Vorgabe der Richtung und Begrenzung. Die Kraft des Flusses drückt sich in der Bewegung, Geschwindigkeit und Wendigkeit aus und steht in Spannung zur Führung des Flussbettes, manchmal mehr, manchmal weniger. So lange es Unterschiede zwischen den Polen gibt, also zwischen dem, was das Maskuline vorgibt und dem, wie das Feminine folgt, gibt es Spannung und Reibung. Das macht Lust und ist aufregend, für beide Partner.

Idealerweise.

Wie schon hier beschrieben, erleben wir Spannung in einem Spektrum. Das heißt, je besser wir uns mit etwas auskennen, je geordneter und strukturierter etwas ist, desto mehr Herausforderung wollen wir, um einen Kitzel, Aufregung, Sinn und Neues zu erleben. Landen wir dabei zu weit im Unbekannten, können wir Angst und Panik bekommen und uns nach strukturierten Umständen sehnen. Diese können dann für Halt und Sicherheit sorgen, aber ebenso die erotische Polarität stören, da zu wenig Unterschiede und Fremdheit zwischen den Partnern besteht, dass es noch aufregend wäre. Genau das scheint das Dilemma zu sein, von dem die Klientin im obigen Zitat spricht. Aber wie lässt sich das lösen?

Sexuelle Entwicklung

Es gibt einige Autoren, die davon sprechen, dass die menschliche Entwicklung mit dem Erreichen des Erwachsenenalters nicht abgeschlossen sei. Vor allem Ken Wilber verdanke ich hier einen Überblick über die vielen verschiedenen Forscher, die Modelle zur Beschreibung von Entwicklungsstufen erstellt und durch Studien untermauert haben. Sie zeigen auch für Erwachsene noch neue Möglichkeiten auf, sich und die Welt zu erleben. Wohl am bekanntesten ist die Bedürfnispyramide von Maslow, die eine Sequenz von Lebensthemen beschreibt, zu denen wir in einer bestimmten Reihenfolge Zugang gewinnen können. Andere Autoren wie Clare Graves und Don Beck beispielsweise beschreiben die Entwicklung von Werteprioritäten (Spiral Dynamics), Jane Loevinger beschreibt Ich-Entwicklung, Lawrence Kohlberg moralische Entwicklung. Soll diese Entwicklung gesund sein, gilt das von Ken Wilber postulierte Prinzip, dass jeder Mensch, der auf eine neue Entwicklungsstufe gelangt, über die vorherige Stufe hinausgeht, aber Elemente der vorhergegangenen Stufe integriert (transcend and include). Gelingt das nicht, gibt es Konflikte, Fixierungen, Verzerrungen und eine Menge Verwirrung.

Genau diese Phänomene finde ich auch in dem Zitat meiner Klientin. Und zu deren Aufklärung möchte ich an dieser Stelle vorstellen, wie David Deida in drei Stufen die sexuelle Entwicklung von Männern und Frauen skizziert und was sich für mich daraus ergibt. Die Unterscheidung dieser Stufen erlebe ich als heilsame Klärung von scheinbar unauflösbaren Widersprüchen. Allerdings zeigen diese Stufen auch Herausforderungen auf dem Weg zu Erfüllung in Liebe und Sexualität auf, die massiv sein und nur mit Mut und der Bereitschaft, schmerzhafte und beängstigende Ecken im eigenen Innern anzuschauen und gelten zu lassen, zu bewältigen sein können.

Wenn du so bist, kann ich so sein

Die erste Stufe in Deidas Entwicklungsmodell nenne ich „Unbewusste Deals“. Sie ist davon geprägt, dass wir uns unseren Zustand und unser Verhalten als Resultat dessen erklären, wie der andere ist und was er tut. Ich habe im Artikel über Lust, Spannung und Depression beschrieben, wie wir in Beziehung zu unseren Eltern Verhaltens- und Abstimmungsmuster entwickeln, die gewissermaßen unsere erste unbewusste Orientierung dafür darstellen, wie wir in Beziehung gehen. Darin ist enthalten, wie gut wir die Wünsche und Grenzen von uns selbst und anderen kennen, was wir glauben und für möglich halten und wie gut wir es aushalten, wenn es Unterschiede gibt, die wir nicht auf einfache Weise lösen können. All diese Überzeugungen und Haltungen sind ohne Selbsterfahrung und Reflexionsarbeit unbewusst, das heißt, wir wissen entweder nicht, dass wir so empfinden oder wir können nicht zwischen unserer Überzeugung und der Welt unterscheiden. Dass das so ist, hat neben der Tatsache, dass wir nur durch die Bildung von Unterschieden und Kontrasten Bewusstsein erlangen, die Funktion, dass wir die überlebenswichtige Beziehung zu den Eltern stabil halten. Wenn bestimmte Impulse bei den Eltern Wut oder Depression auslösen, ist es sicherer, die Impulse nicht nur vor den Eltern, sondern auch vor sich selbst zu verstecken.

Ich denke dabei an die zitierte Klientin, die über Jahre hinweg an einem Mann hing, der wenig Bereitschaft hatte, sich auf sie einzustimmen, oft nicht verfügbar war, wenn sie Zeit mit ihm wollte und regelmäßig in Schwierigkeiten steckte, bei denen sie ihm bereitwillig aushalf. Einmal hatte er die Beziehung sogar für eine andere Frau beendet, was die Klientin sehr verletzte. Dennoch nahm sie ihn zurück, als er wieder frei war. Sie rätselte in den Sitzungen oft darüber, warum sie sich so nach ihm sehnte, wo sie doch jedem Recht geben musste, der ihr sagte, dass es ihr mit jemand anderem besser gehen könnte. Lange Zeit wusste sie nur, dass sie nur in seinen Armen eine Beruhigung erfuhr, die sie sonst nicht kannte und die sie mit den Worten „Nur da fühle ich mich wertvoll“ umschrieb. Sie war abhängig, weil ihr unbewusstes Abstimmungsmuster mit dem ihres Partners zusammenpasste und sie in dieser Passung etwas fühlen konnte, wozu sie sonst keinen Zugang hatte. Dafür nahm sie auch Respektlosigkeit, Grenzüberschreitung und Unehrlichkeit in Kauf, denn meldete er sich abends bei ihr zum Kuscheln oder Sex, gelang es ihr nicht, das abzulehnen, selbst wenn sie sich das tagsüber vorgenommen hatte. Was dahinter steckte, erläutere ich im Abschnitt zu Stufe 2.

Auf Stufe 1 erleben wir Himmel und Hölle. Wenn etwas zueinander zu passen scheint und wir in unserem Gegenüber endlich den Partner finden, der uns ergänzt, uns bestimmte Erfahrungen ermöglicht oder erspart, die wir alleine nicht erreichen oder mit denen wir nicht zurechtkommen, und wir uns auf einer Ebene endlich angekommen fühlen, gibt es wahrscheinlich kaum eine größere Erleichterung, keinen tieferen Rausch und keine intensiveren Schmetterlinge im Bauch. Wir wollen jemanden und zwar so ganz. Und zu wollen an sich gibt uns Energie und Lebenskraft. Aber da die Passung auf unbewussten Mustern beruht, ist sie auch extrem störanfällig. Sie erfordert relativ rigide Übereinstimmungen und eine unbewusste Abmachung die sagt „Wenn du so zu mir bist, bin ich so zu dir.“ Das heißt, im Denken ist mein Gegenüber für meine Gefühle verantwortlich. „Du machst mich glücklich/unglücklich“. Das lässt wenig Raum für Andersartigkeit oder Veränderung, erfordert unter Umständen die Kapazität, alles zu verdrängen, was nicht in’s Idealbild passt und ist manchmal sogar gefährlich. Denn die Ängste, die auftauchen, wenn es nicht mehr passt, können so intensiv sein, dass wir sie mittels Gewalt und Druck auf den Partner ausagieren, damit der andere endlich wieder so tickt, wie wir uns das vorgestellt haben, als wir uns verliebt hatten.

Ein Aspekt von Stufe 1 ist auch, dass wir einander eher in den traditionellen Rollen als Mann und Frau begegnen und begehren, als in den wirklichen Eigenheiten als Person. Martin Ucik hat in seinem Buch Integrale Beziehungen von „primären Phantasien“ gesprochen, die beschreiben, welche Eigenschaften Männer und Frauen auf Basis des Fortpflanzungstriebs aneinander heiß finden. Demnach stehen Männer auf alles, was auf Fruchtbarkeit und Gesundheit hinweist und die Chancen auf gesunde und kräftige Kinder anzeigt, also das Alter, das Verhältnis zwischen Hüfte und Taille, die Struktur der Haare und Beschaffenheit der Haut. Frauen finden an Männern alles scharf, was auf die Kapazität hinweist, Ressourcen zu generieren. Dazu gehören Körperkraft, Status, das Einkommen, aber auch Eigenschaften wie Souveränität und Humor, da diese Zuversicht signalisieren und damit indirekt versprechen, dass der Mann in der Lage ist, den materiell sicheren Rahmen für Nachwuchs zu schaffen, der mindestens 3 Jahre Stabilität verschafft. Auch das ist in der Regel unbewusst und offensichtlich sehr reduktionistisch und oberflächlich. Aber es ergibt Sinn und es wirkt. Phantasien wie „50 Shades of Grey“ und „9 1/2 Wochen“ basieren auf den primären Phantasien von Frauen, die meiste Pornographie auf der von Männern.

Für die Polarität bedeutet das, dass mit der passenden primären Phantasie und unbewussten Passung die Leidenschaft sehr intensiv sein kann. Wir geben für das Zusammensein Grenzen und Eigenarten auf und fühlen uns gewissermaßen „symbiotisch“ verbunden. Als Mann kann ich eine Frau unendlich begehren und dafür ganz viel in Kauf nehmen, was ich in ruhigem Zustand nicht hinnehmen würde. Dieses Wollen kann für mein Gegenüber so erregend sein, dass sie Lust hat, sich dem ganz hinzugeben, ebenfalls unter Aufgabe bestimmter Eigenarten und Grenzen. So lange die Vorstellung der Symbiose und die unbewussten Deals funktionieren („Wir sind eins“), fühlt sich das sehr aufregend und schön an. Aber da die Unbewusstheit eben bedeutet, dass eigene Grenzen und Wünsche nicht klar sind, kann das natürlich total schief gehen. Im einen Moment war es dann noch schön, sich gegenseitig herauszufordern oder nach einem „Nein“ noch weiter zu gehen, im nächsten fühlt es sich plötzlich ganz schrecklich an. Und der andere, der einen so glücklich „gemacht“ hatte, wird plötzlich zur größten Enttäuschung oder sogar Bedrohung.

Für den Sex bedeutet das oft, dass er gemieden wird, wenn der Punkt der Symbiose überschritten ist. Von Verliebtheit wird oft gesagt, dass sie nicht länger als 6 Monate anhalten kann. Ich würde sagen, dass das für Stufe 1 gilt, denn länger halten wir in der Regel die Illusion der absoluten Passung nicht aufrecht. Zumindest wird sie brüchig und die Lücken sorgen dafür, dass wir uns nicht mehr in die Polarität fallen lassen, denn sowohl im maskulinen als auch im femininen Pol brauchen wir Vertrauen. Als Mann möchte ich mit meinen Impulsen Lust entfachen, nicht weh tun. Das heißt, ich brauche Vertrauen, dass ich Wünsche und Grenzen mitgeteilt bekomme, die ich nicht selber erahnen kann. Wenn eine Frau sich hingibt, braucht sie Vertrauen, dass sie ernst genommen wird, wenn wirklich etwas über ihre Grenzen geht. Gelingt das nicht, kann es immer noch sein, dass wir weiterhin Sex haben, aber ohne wirkliche Nähe und mit Hilfe von Substanzen oder Phantasien. Frauen erfüllen ihre „ehelichen Pflichten“ oder erhoffen sich vom Sex, dass der Mann besser gelaunt ist und sie versorgt. Männer erleben vielleicht eine kurzfristige Entspannung dabei, aber es fließt keine Energie zu ihnen, die sie öffnet und sich lebendig fühlen lässt. Früher oder später entsteht ohne Weiterentwicklung der Eindruck, sich auf den „falschen“ Partner eingelassen zu haben. Das Problem lösen die meisten mit Affären, mit einer Trennung, oder, wenn die existenzielle Abhängigkeit zu groß ist, mit asexuellem Zusammenleben. Unter Umständen aber taucht auch der Impuls auf, wirklich verstehen zu wollen, was da eigentlich passiert.

Du bist du und ich bin ich

Die zweite Stufe in Deidas Entwicklungsmodell nenne ich „Verantwortung und Grenzen“. Auf ihr geht es um eine klare Differenzierung zwischen Ich und Du, so dass wir uns nicht in der Verbundenheit miteinander verlieren. Denn es ist wahrscheinlich keine Überraschung, dass wir aus den unbewussten Deals nur herauskommen, wenn wir uns Klarheit darüber verschaffen, nach welchen unbewussten Mustern wir uns unseren Partner ausgesucht haben und wie wir uns selbst um die dahinterliegenden Sehnsüchte und Bedürfnisse kümmern können. Auf eine Weise könnte man sagen, dass alle Arbeit, die den Sinn hat uns zu bewussteren, erwachseneren und verantwortungsvolleren Menschen zu machen, mit Stufe 2 zu tun hat. Das ist mitunter ein langer und steiniger Weg, der viel Reflexion und Selbsterfahrung erfordert und von viel Verwirrung, Leid und wiederholtem „Nein, so geht’s nicht“ geprägt sein kann. Ist der Leidensdruck auf Stufe 1 nur hoch genug, weil die unbewusste Passung immer wieder zu Enttäuschungen geführt hat, wirkt das jedoch alternativlos.

Für sexuelle Beziehungen ist auf Stufe 2 vor allem die Freiwilligkeit und der Konsens entscheidend. Da der Leidensdruck, der uns animiert, uns über Stufe 1 hinaus zu entwickeln, vor allem aus Verletzungen, Enttäuschungen, Übergriffen und Resignation entsteht, brauchen wir eine scharfe Wahrnehmung dafür, wo wir anfangen und wo wir aufhören, um mitzubekommen, wann wir uns wieder in Gefahr bringen. Das bedeutet auch, dass wir erkennen müssen, an welchen Stellen wir uns auf unbewusste Deals eingelassen haben, weil wir etwas davon haben, was wir uns alleine nicht zu geben vermögen. Das ist oft nicht so einfach, denn die Konfrontation mit einem Deal verdeutlicht auch die Herausforderung, wirklich erwachsen und eigenständig mit unseren Wünschen umzugehen und sie anderen nicht aufzudrücken. Ich muss also bereit sein, der mitunter lang in meine Kindheit zurückreichenden Entbehrung die Stirn zu bieten, sie zu fühlen und zuzulassen, ohne mir oder anderen etwas anzutun. Erst wenn ich meinem Gegenüber die Freiheit zugestehen kann, Nein zu sagen, ohne dabei in Panik zu geraten, kann ich selbst ruhigen Gewissens eine Grenze setzen und jemanden enttäuschen. Und die Fähigkeit zu enttäuschen ist unverzichtbar, wenn ich mich nicht verlieren will. Wer einmal bewusst erkannt hat, was es bedeutet, sich zu verlieren und/oder mit jemandem zu leben, der sich verloren hat, erkennt in der Grenze ein höheres Gut als in einem Ja, dessen Preis zu hoch ist. Das macht Enttäuschungen erträglich und vertretbar.

Ein Gradmesser für diese Fähigkeit lässt sich auch in der Beziehung zu den Eltern ablesen, egal, ob sie noch leben oder wir sie nur noch als inneres Bild (Introjekt) mit uns herumtragen. Die Eltern zu enttäuschen konfrontiert uns nämlich mit genau dem Abgrund, gegen den wir uns mit unseren Abstimmungsmustern unbewusst abgesichert haben. Bange Fragen wie „Was wenn wir uns mal wirklich zoffen?“, „Kann meine Mutter überhaupt alleine zurechtkommen, ohne zu sterben?“, „Wie überlebe ich das nächste Weihnachten, wenn ich jetzt die Wahrheit sage?“ geben einen Indikator dafür, an welchen Stellen wir noch nicht in Stufe 2 gelangt sind, weil wir die unbewusste oder auch reale existenzielle Abhängigkeit von den Eltern noch nicht gelöst haben.

Die zitierte Klientin beispielsweise entdeckte mit der Zeit, wie ihr Empfinden, in den Armen ihres Partners „wertvoll“ zu sein, davon geprägt war, wie sie gelernt hatte, den Kontakt zu ihrer Mutter zu regulieren. Ihre Eltern hatten sich früh getrennt und sie hatte eine fürsorgliche Rolle für ihre beiden jüngeren Geschwister und ihre Mutter übernommen. Unbewusst hatte sie in einem kritischen Alter registriert, dass ihre Mutter keinen Raum für die Bedürfnisse der Klientin hatte, wenn sie nicht direkt in ihren Kram passten. Stattdessen war die Klientin gewohnt, umgestimmt oder übergangen zu werden, wenn sie etwas Eigenes wollte. Um diese Spannung zu vermeiden hatte sie gelernt, sich nützlich und hilfreich zu machen, um so wenig Ärger wie möglich zu erleben und die Beziehung zur Mutter stabil zu halten. Erst wenn ihr das gelang, konnte sie sich entspannen. Dies übertrug sie unbewusst auf ihre Beziehung, denn da ihr Partner immer wieder Anlass dazu gab, dass man ihm helfen und um seine Beachtung kämpfen musste, konnte die Klientin diese Rolle auch mit ihm leben. In seinen Armen zu liegen war dann die Bestätigung, dass ihr unbewusstes Muster funktionierte und sie beruhigt sein konnte.

Im Prinzip wäre das der Moment gewesen, an dem sie ihre eigenen Wünsche und Pläne hätte verfolgen können, aber so weit kam sie innerhalb der Beziehung nie. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass das kein Zufall war. Hätte sie wirklich Raum für sich bekommen, hätte sie sich fragen müssen, was sie wirklich wollte. Und damit wäre sie in Territorium vorgestoßen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt immer gemieden hatte, auch um keinen Konflikt mit ihrer Mutter zu bekommen. Die Schwierigkeiten mit ihrem Partner boten dazu eine unbewusst willkommene Ablenkung, denn bei all der Regulation blieb kein Raum dafür, dass die Klientin sich wirklich auf sich konzentrieren konnte. Und damit konnte sie auch die Herausforderungen bannen, die ein selbstbestimmtes Leben mit all seinen Komplikationen bereitet hätte. Erst als sie dies erkannte, beschloss sie, sich von ihrem Partner zu trennen und blieb auch dabei.

Stufe 2 ist im besten Sinne das Ergebnis unserer humanistischen Weiterentwicklung im letzten Jahrhundert, die jedem Menschen ein eigenes, selbstbestimmtes Leben ermöglichen will. Dass wir für eine sexuelle Beziehung Konsens als notwendige Bedingung definieren ist noch nicht lange und längst nicht überall selbstverständlich. Man bedenke nur, dass der Tatbestand der Vergewaltigung in Deutschland bis 1997 (!) nur für außereheliche Beziehungen galt. Und bei allen Auswüchsen der #metoo-Bewegung, die an Selbstjustiz und Rache grenzen können, bin ich über den Kern der Bewegung sehr froh: Bewusstsein für die Sicherheit und Achtung von Grenzen und Integrität von Seele und Körper.

Es gibt nur leider einen Haken: wenn zwei Menschen selbstbestimmt, abgegrenzt und verantwortungsvoll nebeneinander stehen entsteht keine erotische Polarität. Für den Funken braucht es gewissermaßen die Bereitschaft, dass etwas „überspringt“, dass eine Grenze sich auflöst, und der Wille des einen zu dem des anderen wird. Penetration ist inhärent grenzüberschreitend, Hingabe immer an etwas Anderes, was ich in mich hineinlasse. Und damit meine ich gerad nicht nur die offensichtliche Öffnung der Frau, denn auch der Mann lässt über das Herz die Energie der Frau in sich hinein, wenn er die Polarität zulässt. Wie kriegen wir das hin, wenn wir gleichzeitig alles selber machen wollen?

Ich kann mich an eine Falschmeldung im Internet erinnern, laut der das schwedische Parlament ein Gesetz erlassen hätte, nach welchem jeder Schritt bei einer sexuellen Begegnung, zu dem keine verbale Zustimmung erfolgt sei, als Vergewaltigung gewertet werden könne. Dazu gab es empört-hämische Kommentare von hauptsächlich Männern, die meinten, das ganze ginge zu weit, denn damit sei jede Spontaneität und Erotik gestorben. Ich verstehe die Empörung als Ausdruck von Überforderung, denn Stufe 2 erfordert wesentlich mehr Bewusstheit als Menschen auf Stufe 1 aufbringen können. Und Überforderung killt die Lust. Da das auch für Frauen gilt, die um ihre Sicherheit fürchten müssen, könnte man das einen fairen Deal nennen und die Herren auffordern, ihre Hausaufgaben zu machen. Aber nicht nur. Denn auch wenn die Schweden dieses Gesetz nie verabschiedet haben, ist diese Phantasie doch Ausdruck der Extreme von Stufe 2, die wiederum einen Leidensdruck und Anlass zur Weiterentwicklung schaffen. Im Prinzip erfordert die erotische Polarität eine Aufgabe von Grenzen, während Stufe 2 gerade das Ziehen von Grenzen fordert. Dieser klassisch-hegelianische Widerspruch einer These und einer Anti-These ruft nach einer Synthese auf höherer Ebene. Und hier kommt Stufe 3 ins Spiel.

Konsens zum Nicht-Konsens

Ich nenne diese dritte Stufe „Konsens zum Nicht-Konsens“, denn genau wie Stufe 1 erlaubt Stufe 3 Unterschiede und verschiedene Rollen, wodurch Reibung und erotische Spannung entstehen können. Konkret heißt das, dass wir auf Stufe 3 in jedem Moment darauf achten, was die Spannung erhält oder erhöht. Zwischen Mann und Frau kann das z.B. folgende Situation ergeben:

Es ist 18:37h und er passt sie an der Wohnungstür ab, als sie von der Arbeit nach Hause kommt. Er überrascht sie mit einem intensiven Zungenkuss. Ihr ist das ein wenig zu schnell, aber sie hält sich genug, dass sie nicht in Schreck oder Empörung verfällt. Stattdessen gibt sie ihm spielerischen Widerstand und sagt „Schatz, ich liebe es, deinen Drang zu spüren, aber ich fänd’s ganz gut, erstmal anzukommen.“ Er spürt einen kurzen Stich der Enttäuschung, hält den aber und erwidert „Ich weiß noch nicht, ob ich das erlauben kann.“ Sie grinst und sagt „Darf ich? Bitte?“ Darauf er, ebenfalls grinsend „Es sei dir vergönnt… aber ich schau dir zu!“ worauf sie lachend mit „Ich weiß gar nicht, wie ich mich dabei konzentrieren soll…“ antwortet und im Bad verschwindet. Er geht ihr hinterher, stellt sich nah hinter sie und knabbert an ihrem Nacken, während sie sich abschminkt. Sie hält inne, stöhnt ein bisschen und sagt „Ich weiß nicht, wie ich so fertig werden soll…“ Er macht weiter, lässt aber immer wieder kurz Raum dafür, dass sie den nächsten Schritt macht. So dauert es etwas länger als sonst, aber sie spürt ihn die ganze Zeit als wollende und begrenzende Kraft, was die erotische Spannung erhält und erhöht. Als sie fertig ist, dreht sie sich um, küsst ihn auf den Mund, grinst und sagt „Ich verhungere fast, hast du was zu essen gemacht?“ Er schluckt kurz, weil er für einen Moment glaubt, er sei dafür verantwortlich, wenn er schon Lust auf sie hat, hält die Angst jedoch und raunt, dass sie mit dem Vorspiel beginnen könnten, während das Sushi kommt, das er gleich bestellen will. Sie spürt darüber, dass er Raum und Präsenz für sie hat, ohne den Kontakt zu seinem Wollen zu verlieren und lässt sich tiefer in den femininen Pol fallen…

An der Oberfläche kann das so aussehen, als wäre das Verhältnis nicht von einer Stufe-1-Beziehung unterscheidbar. Jedoch die Entwicklung durch Stufe 2 sorgt für entscheidende Unterschiede, die nur im Gespräch und in kritischen Situationen offensichtlich werden können. Zur Erinnerung: Auf Stufe 1 sind schnell Störungen und Entgleisungen möglich, wenn ein Partner gerade an seine Grenzen kommt, auf eine alte Verletzung stößt, oder ein Thema noch nicht überblickt. In der Beispiel-Situation sind das die Momente, in denen etwas zu viel oder enttäuschend sein könnte, die beiden sich darin jedoch halten und in’s Spiel zurück kommen können. Die Kompetenzen, die Männer und Frauen auf Stufe 2 erwerben, erlauben ihnen an solchen Stellen bewusst Verantwortung zu übernehmen und ihre Ressourcen zu nutzen, um sich um sich selbst zu kümmern, ohne dass sie dafür komplett aus dem Kontakt gehen müssen. Diese Fähigkeiten vermitteln Vertrauen, einmal für sich selbst, aber auch dem Partner, denn dank ihnen können wir uns in all unserer Komplexität zeigen, ohne vom Gegenüber zu erwarten, dass es unsere Arbeit übernimmt. Damit löst sich die existenzielle Abhängigkeit auf, von der Stufe 1 so geprägt ist. Und ohne diese Abhängigkeit können wir auf Augenhöhe miteinander spielen.

Deida beschreibt Stufe 3 als hingebungsvolles Spiel mit den Polen, ohne dass wir damit voll identifiziert wären. Wir können für eine Zeit Rollen einnehmen, von denen wir wissen und spüren, dass es Rollen sind, von denen wir uns wieder lösen können. Frei nach dem Motto: „Wenn ich weiß, dass es ein Spiel ist, macht es Spaß, mich auf meinen Körper reduzieren zu lassen. Ich will dann nur das eine sein, auch wenn ich weiß, dass ich noch ganz vieles andere bin.“ Diese Qualität des Spiels ist aber nur möglich, wenn ich genug Klarheit über mich und mein Wollen habe, dass ich mich wiederfinde, während ich in der Rolle bin bzw. nachdem ich wieder aus ihr herauskomme.

Dieses Meta-Bewusstsein erlaubt auch Extreme in der Polarität, bei denen die Person im femininen Pol sich vollkommen hingibt, keine eigenen Impulse mehr ausdrückt, sondern sagt „Tu mit mir, was du willst“. In diesem Zustand lässt sie ihr eigenes Maskulines komplett los und ist für eine Weile in einem unfassbar offenen und fließendem Zustand, nur in der Hingabe an die Impulse vom Gegenüber. Dieser Zustand erfordert allerdings die temporäre Aufgabe ihrer Fähigkeit, sich und ihre Umgebung zu strukturieren. Währenddessen behält die Person im maskulinen Pol die komplette Übersicht und Präsenz für die Situation. Sie ist offen für die Impulse, die in ihr spontan und wie von woandersher geführt erscheinen und drückt sie genau dort aus, wo es der Spannung dient und ihr Gegenüber herausfordert und begrenzt. Das wiederum erfordert die temporäre Aufgabe der Fähigkeit, selbst zu zerfließen und mit den eigenen Gefühlen zu gehen. Sofern beide wissen, dass sie sich, sollte es wirklich eine Grenze geben, gut um sich kümmern und jederzeit mit dem Respekt und der Kooperation des Gegenübers rechnen können, kann das ein exquisiter Zustand sein, der über Stunden am Stück Spaß und Lust bereiten kann.

Damit will ich nicht sagen, dass erotische Polarität jemals komplett sicher wäre. Es ist ja gerade der Kitzel, sich auf etwas „Fremdes“ einzulassen, etwas „anderes“, der Erotik so aufregend und lustvoll macht. Der koreanisch-deutsche Philosoph Byung Chul-Han drückt das in seinem Buch Agonie des Eros so aus, dass die narzisstischen Versuche in unserer Gesellschaft, Unterschiede auszumerzen, und dadurch Spannung zu reduzieren, darin resultieren, dass uns der Eros abhanden kommt. Er muss fremd und chaotisch sein, damit wir etwas zu entdecken haben. Das heißt, für mich drückt Stufe 3 auch die Erkenntnis und Bereitschaft aus, dass Chaos zum Leben dazu gehört und sich ab einem bestimmten Punkt nicht reduzieren lässt. Ich finde das enorm hilfreich, denn, wenn ich weiß, dass ich das Risiko in einer Begegnung nicht weiter reduzieren kann, erwarte ich von mir auch nicht, dass ich das muss. Es ist ok, wenn etwas schief geht, anders läuft als erwartet oder mich umhaut. Ich komme da wieder heraus, kann die Fahrt genießen und den nächsten Impuls setzen.

Ich glaube nicht, dass die Entwicklung zwischen Stufe 1 und 2 wirklich vollständig abgeschlossen sein kann und muss, bevor wir Zugang zu Stufe 3 haben können. Trotz gewisser narzisstischer Größenphantasien glaube ich nicht, dass ich mit der Entdeckung meiner unbewussten Muster jemals gänzlich fertig sein könnte. Aber das ist vielleicht auch nicht nötig. Es reicht, wenn es „gut genug“ ist und ich Überblick darüber habe, was ich will und was nicht, so dass ich dafür Verantwortung übernehmen und es vertreten kann. Das geht nicht mit jedem gleich gut, aber danach kann ich entscheiden, mit wem und wie ich leben will.

Verwirrungen auflösen

Ich hoffe, dass die Beschreibung der drei Stufen aufzeigen kann, dass das Zitat vom Anfang und die von mir erlebten Doppelbotschaften einer Mischung aus Stufe 1 und 2 entspringen und deswegen so widersprüchlich scheinen. Sie sind einerseits Ausdruck der unbewussten Hoffnung, ein passendes Gegenüber möge uns die Ängste und Unsicherheiten ersparen, die mit unseren Abstimmungsmustern einhergehen. „Mrs. oder Mr. Right“ müssten doch dafür sorgen, dass erkennbar ist, was wir wollen, ohne dass wir das selber spüren, ausdrücken und mit der Reaktion umgehen müssen. Und das betrifft sowohl Männer als auch Frauen. Zu einer Doppelbotschaft führt hier verwirrenderweise, dass die Enttäuschungen von Stufe 1 uns dazu bringen, Stufe 2 wertzuschätzen und erreichen zu wollen. Wir identifizieren uns z.B. als feinfühliger, empathischer Mann, der Grenzen achtet und nichts ohne Erlaubnis seines Gegenübers tut oder als selbstbewusste, eigenständige Frau, die sich selbst genug ist. Dann aber wissen wir nicht, wie wir mit der Polarität umgehen sollen. Das drückt sich z.B. darin aus, dass Frauen auf Stufe 2 Augenhöhe und Respekt total wichtig finden, sexuell aber von Männern angezogen werden, die etwas Fremdes oder Gefährliches für sie haben und mitunter überhaupt keinen Respekt zeigen. Genauso können Männer darauf bestehen, dass die Beziehung auf Augenhöhe sein muss, sich jedoch von Frauen angezogen fühlen, die ihnen die Führung überlassen und sich hingeben, ob sie wollen oder nicht.

Ohne von Stufe 3 zu wissen, kommt einem das wie ein unauflösbarer Widerspruch vor, als würde einen der Körper verraten und daran hindern, ein Ideal zu leben. So können wir auf Stufe 2 dazu verführt werden, die Polarität auch wieder in unbewussten Deals zu suchen, da uns die bewusste Begegnung auf Augenhöhe zu langweilig erscheint, selbst, wenn wir sie ethisch und politisch noch so richtig finden. Dieser Move zu Stufe 1 kann innerhalb bestimmter Grenzen auch gut gehen, jedoch wird die Unbewusstheit früher oder später dafür sorgen, dass wir wieder an Abgründe oder Sackgassen geraten, die nur mit innerer Arbeit und Verantwortungsübernahme klar werden. Wir kommen für eine erfüllte Beziehung an Stufe 2 nicht vorbei. Und für erfüllten Sex auf Basis einer erfüllten Beziehung, sehe ich auch keine Alternative zu Stufe 3.

Kritische Auseinandersetzung

Zum Abschluss möchte ich noch eine Differenzierung zur kritischen Auseinandersetzung mit der Arbeit David Deidas einbringen, ohne den Anspruch zu erheben, diese komplett durchdrungen zu haben. Sollte ich Deida damit Unrecht tun, tut mir das leid. Für Hinweise bin ich dankbar.

Als ich Deidas Arbeit kennenlernte, stießen mir zwei Dinge auf, von denen das eine das andere erklärt. Zum einen sagte er in der Aufnahme eines Seminars, das sein Fokus ganz betont nicht dabei liege, Stufe 2 tiefer zu behandeln, weil das das Feld der Therapeuten und Heiler sei, die sich auf eine andere Arbeit konzentrierten als er. Er betonte, dass es ihm um Kunst ginge und Kunst sei auch möglich, wenn man völlig kaputt und fragmentiert sei. Ich kann nicht wissen, warum er das sagte, aber in meinen Ohren klang das wie eine Entwertung von Stufe 2, zumindest aber eine krasse Vernachlässigung darin, aufzuzeigen, wie wichtig Stufe 2 ist, um eine vertrauensvolle Basis frei von Missbrauch für die intensiven Polaritäten auf Stufe 3 zu bilden. Diesen Aspekt zu vernachlässigen weckt in mir nicht gerade Vertrauen.

Zum anderen erschien mir die Orientierung für Stufe 3 in Deidas Buch Der Weg des wahren Mannes darin zu bestehen, bestimmte Perspektiven einzunehmen, Prinzipien zu befolgen und Eigenschaften zu entwickeln. Nach meiner Beschreibung der drei Stufen, dürfte klar sein, dass das bestenfalls zu einer Veränderung innerhalb Stufe 1 führen kann. Es beinhaltet keine Verletzlichkeit, keine Offenheit und keine Konfrontation des eigenen Abgrunds, die alle auf dem Weg zu Stufe 2 notwendig sind. Im Gegenteil, diese vereinfachte Orientierung verstärkt die Überzeugung auf Stufe 1, durch die Einnahme der „richtigen Rolle“ in die Polarität zu kommen und verschärft genau das Problem, aus dem ich auf Stufe 1 gerne herausgekommen wäre. Und genau so hab ich es damals auch aufgenommen: Als Anleitung dafür, eine Frau anzuziehen, die ich attraktiv finde, indem ich anders bin, als ich wirklich bin. Das widerspricht vollkommen meinem heutigen Verständnis von Stufe 3, ist aber nicht verwunderlich angesichts von Deidas Entwertung von Stufe 2.

Das heißt, wir haben es hier mit einer sogenannten Prä/-Trans-Verwechslung nach Ken Wilber zu tun: nennen wir Stufe 1 „prä-konsensual“, weil sie die Fähigkeiten für bewussten Konsens vermissen lässt und Stufe 3 „trans-konsensual“, da sie Konsens mit einbeschließt, aber darüber hinausgeht, so wirken Verhaltensweisen von beiden Stufen unter Umständen „nicht-konsensual“. Ohne scharfe Kriterien für den Unterschied von prä und trans kann man sie also leicht verwechseln. Konkret heißt das, dass wir einerseits eine missbräuchliche Stufe-1-Beziehung zu einer spirituellen Stufe-3-Beziehung erheben können, andererseits eine wirklich bewusste und spielerisch wilde Stufe-3-Beziehung auf eine missbräuchliche Stufe-1-Beziehung reduzieren können. Und wenn David Deida von Kunst spricht, klingt das in meinen Ohren wie ein offenes Tor zur Erhebung von Stufe-1-Beziehungen und damit nach Legitimierung von Missbrauch.

Unterm Strich ist mir wichtig, Stufe 2 ernst genug zu nehmen, dass die Lust eine Chance hat, auf der Basis echten Vertrauens zwischen zwei Menschen ihre volle Kraft zu entfalten. Die Hausaufgaben für eine bewusste Beziehung können sehr mühsam sein, ohne das man wissen kann, wo man damit landet. Aber die Freude am erotischen Spiel ist um so größer, wenn wir unser Spielfeld so gut kennen, dass wir es riskieren können, etwas ganz Neues zu erleben.