Einfach mal so halt

Mir ist in den letzten Wochen aufgefallen, wie häufig meine KlientInnen Wörter wie „einfach, „mal“ oder „halt“ in Kontexten benutzen, die in der Regel alles andere als einfach sind.

„Ja, ich weiß, ich sollte halt einfach mal Grenzen setzen oder endlich kündigen.“

„Warum sag ich nicht einfach, was ich will? Das werde ich doch wohl mal hinkriegen, oder nicht?“

„Wenn ich einfach mal im Hier und Jetzt wäre, würde es mir bestimmt besser gehen.“

Oder auch Wörter, die Selbstverständlichkeit suggerieren, wo keine ist. Darunter zähle ich „natürlich“, „sicherlich“, „total klar“, „logisch.“

„Natürlich verdränge ich, dass es mir total beschissen geht.“

„Ich pass nicht auf mich auf, total klar, brauchen wir gar nicht drüber reden.“

„Sicherlich hab ich meine Ehe vor die Wand gefahren. Logisch, denn ich hab halt einfach keine Ziele mehr gehabt.“

Beliebt sind auch „irgendwie“ und „sozusagen“, welche für Unschärfe sorgen, wo Konkretes anecken könnte:

„Ja, jetzt sorg halt irgendwie mal für Ordnung, jetzt sofort, sozusagen.“

„Irgendwie fühle ich mich hier unwohl, ziemlich sehr sogar irgendwie.“

„Das ist, sozusagen, was ich die ganze Zeit sozusagen irgendwie nicht sagen wollte.“

Lange Zeit habe ich mich über diese Diskrepanz zwischen Inhalt und Sprache aufgeregt. Aber inzwischen merke ich, dass ich sie mit entsprechendem Feingefühl und Humor sinnvoll nutzen kann, um schnell an der Abwehr vorbei zu saftigen Themen zu kommen, die brandaktuell, tiefgehend und konflikthaft sind und die die Menschen, mit denen ich arbeite, direkt betreffen.

Füllwörter haben im Sprachgebrauch oft die Funktion, harte Positionen in Watte zu packen, so dass sich niemand daran stoßen kann. Wenn ich „halt irgendwie mal“ eine Grenze setze, klingt das umgänglicher, als wenn ich eine Grenze setze. Es ist einfacher, „irgendwie unzufrieden“ zu sein, wenn zu viel Schärfe und Klarheit über eine Unzufriedenheit die Beziehung in Frage stellen könnte. Und ich finde es durchaus legitim, dieses „Schmiermittel“ bewusst einzusetzen. Genauso nützlich finde ich es, nachzuschauen, was dahinter steckt, denn ich kann diese Wörter auch als hypnotische Sprachmuster verstehen, die eine Abwehrwirkung haben und alles andere als zufällig auftauchen.

Immer da, wo wir es mit großen schwierigen Problemen zu tun haben, können wir schnell unsere innere Stabilität in Gefahr sehen. Probleme und Konflikte lösen mitunter Chaos aus und wir fürchten, den Überblick über unser Leben zu verlieren. Je komplexer das Problem, desto unklarer, wie die Lösung aussehen könnte. Vielleicht gibt es ja auch gar keine und was wäre dann? Kann ich aushalten, das nicht zu wissen? Kann ich die Spannung halten? Diesen Umstand ohne Unterbrechung präsent zu haben kann im Leben für große Unruhe sorgen. Wenn ich jedoch beginne, das Problem optimistisch zu verzerren, kommt es mir nicht mehr so überwältigend vor und ich kann mich auf bestimmte Lebensbereiche konzentrieren. Gleichzeitig zahle ich damit, dass ich die problematischen Bereiche nicht mehr so genau wahrnehme, wie ich müsste, um sie überblicken zu können. Und genau die melden sich mittels der Symptome, mit denen KlientInnen in die Praxis kommen.

Gar nicht mehr so einfach

Wer Interesse hat, bei sich tiefer zu gehen, kann sich dabei beobachten, an welchen Stellen sie/er diese hypnotischen Sprachmuster bei sich selbst enteckt. Um auch nur ansatzweise zu spüren, was sie abwehren, reicht es zunächst, den gleichen Satz ohne die Füllwörter zu sagen und zu spüren, wie er sich anfühlt. Nehmen wir folgenden Beispielsatz:

„Dann werde ich halt einfach irgendwann mal irgendwie mit dem Abnehmen anfangen, kann doch nicht so schwer sein.“

Und jetzt ohne Füllwörter:

„Dann werde ich mit dem Abnehmen anfangen.“

Wenn ich den zweiten Satz lese, werden die Konsequenzen sofort spürbar. Der Klient, den das Thema betraf, sagte daraufhin dazu: „Das kriege ich nie hin.“ Fragen, die im Prozess auftauchten waren: Mit welchen Konflikten kriege ich es zu tun? Welche Funktionen erfüllt das Essen? Was verbinde ich mit Kochen und bewusster Auswahl von Nahrungsmitteln? Mit körperlicher Selbstfürsorge? Wie geht es mir mit Sport und Bewegung? Welche sozialen Erfahrungen verbinde ich damit? Wie beziehe ich mich auf meinen Körper? Was bedeutet es für mich, zu leben und gesund zu sein, bzw. sterben zu können? Mit einem Schlag wird deutlich, was Füllwörter alles abwehren können, ohne dass wir es merken. Und wie komplex die Zusammenhänge sein können, über die wir Überblick brauchen, wenn wir ein Gleichgewicht herstellen wollen.

Im Folgenden nehme ich ein paar weitere Beispiele von oben, lasse die Füllwörter weg und berichte vom dazugehörigen Therapie-Prozess, um zu illustrieren, was sich hinter der vereinfachten Oberfläche verbergen kann.

„Ja, ich weiß, ich sollte meine Grenzen setzen oder endlich kündigen.“

Sofort ist der Konflikt anwesend und sehr deutlich, welche Gravitas er hat. Die betreffende Klientin im Klartext dazu: „Einerseits weiß ich woran ich bin, meine Umstände sind vertraut, meine Miete bezahlt, mein Kühlschrank voll. Ich hasse es, nicht zu wissen, wie es weitergeht. Deswegen verkneife ich mir Tag für Tag zu sagen, was mir stinkt. Andererseits habe ich Kopfschmerzen, wenn ich schon in’s Büro gehe, meine Kollegen schaffen eine Geräuschkulisse, die meine Konzentration unmöglich macht und mein Chef reagiert erst nach der vierten Email auf meinen Hinweis, dass das Programm nicht funktioniert, mit dem ich meine Aufträge erfüllen soll. Ich bin ratlos und weiß nicht, wie ich hierzu eine balancierte Sichtweise finden soll, bei der ich weder zu krass noch zu nachgiebig handel.“

„Ich pass nicht auf mich auf.“

Hier klar zu sein wirft die Frage auf: „Ja, warum denn nicht?“ In der Untersuchung entdeckte die betreffende Klientin, dass sie einen tiefen Konflikt darüber hatte, ob sie überhaupt am Leben sein möchte. Nicht als ganze Person, aber zu einem kleinen Teil, der immer wieder an die Oberfläche kam. Sie hatte als kleines Kind ein paar sehr gewaltvolle Erfahrungen gemacht und war bis heute damit isoliert geblieben. Das heißt, sie hatte nach anfänglichen Versuchen als Kind, die scheinbar ignoriert oder abgeblockt worden waren, niemandem davon erzählt und auch selbst den bewussten Kontakt zu der Erinnerung verloren. Der Teil von ihr, der diese Erfahrung gemacht hatte, wollte jedoch gehört werden und ohne diese Aufmerksamkeit hatte er sich in Verhalten ausgedrückt, das der Klientin immer wieder ein Rätsel war. Sie beobachte sich bei riskanten Überholmanövern, ungeschütztem Sex mit dubiosen Männern oder das wiederholte Vergessen von wichtigen Terminen oder Liegenlassen und Verlieren von wichtigen Gegenständen. Darin drückte sich im Überblick der Unwille aus, sich so auf’s Leben zu konzentrieren, dass ihr so etwas nicht passierte, da sie einen Konflikt mit dem Leben hatte, der unbewusst wirkte. Erst als das bewusst wurde und die Klientin sich aufmerksam ihrem Schmerz zuwenden konnte, änderte sich ihr Verhalten allmählich.

„Ich hab meine Ehe vor die Wand gefahren. Ich hatte keine Ziele mehr.“

„Wie das? Welche Ziele hatten Sie denn gehabt? Was ist damit passiert?“ Ohne die Füllwörter konnte der Klient nicht mehr abwehren, dass dem Ende seiner Ehe ein intensiver innerer Konflikt vorausging, mit dem er sich lieber nicht auseinandersetzen wollte. Er war bei der Arbeit hintergangen worden und hätte aggressiv auftreten oder kündigen müssen, um seine Situation zu verändern, war aber resigniert in sich zusammengesunken und hatte einige Jahre ausgeharrt, ohne dass es besser wurde. Seine Frau bekam das mit und wollte nicht mehr, nachdem sie einige Versuche unternommen hatte, zu ihm durchzudringen. Er nahm das passiv hin und kam mit Depressionen zu mir. Im Kern fand er, dass er glaubte, sich zu wehren würde ihn nur in Gefahr bringen, da ihn ohnehin jeder platt machen würde. Als Kind war ihm das einige Male passiert, vor allem mit seiner Mutter, was er jedoch bis dato nicht bewusst reflektiert hatte. Ohne Bewusstsein für seine frühe Ohnmacht war es ihm unmöglich, eine realistische Einschätzung seiner Möglichkeiten zu finden, die durchaus besser waren, als er glaubte. Das verhalf ihm zu einer Perspektive, in der ihm wieder Ziele einfielen, für die sich einzusetzen sich lohnte.


Diese Beispiele illustrieren, was für ein komplexes Innenleben hinter vermeintlich einfachen Sätzen stecken und wie es Eingang in den sprichwörtlichen „Kaninchenbau“ der Seele sein kann (daher auch das Titelbild). Gleichzeitig möchte ich keine Formel daraus machen, die jederzeit und immer besagt, dass Füllwörter etwas abwehren. Es erfordert entsprechende Selbstwahrnehmung, spüren zu können, ob Sprache und Inhalt sich widersprechen und was das etwaige Unbehagen bedeuten könnte, wenn es nicht zusammenpasst. Dazu hilft es, diese Übereinstimmung oder das Fehlen davon bei sich selbst wahrnehmen zu können. Mit diesen Worten der Vorsicht möchte ich dennoch sagen, dass Abwehr oft sehr raffiniert, versteckt und getarnt ist und psychotherapeutische Prozesse und Gespräche dadurch zäh und schwierig werden können. Diese Füllwörter können hingegen ein einfacher Einstieg sein. Einfach mal so halt 😉